Windenergiefirma Prokon in Schieflage: Zu viele Anleger wollen gehen
Rund 13 Prozent des Genussrechtskapitals wurden bei Prokon bereits gekündigt – zu viel. Was wird bei einer Insolvenz aus den Produktionsanlagen?

BERLIN taz | Bei der umstrittenen Windkraftanlagenfirma Prokon bleibt die Gefahr einer Pleite hoch. Trotz massiven Drucks auf die rund 75.000 Anleger, kein Kapital abzuziehen und bestehende Kündigungen rückgängig zu machen, hätten Anleger bis zum Dienstag Genussrechte in Höhe von 187,7 Millionen Euro aufgekündigt, teilte das Unternehmen aus dem schleswig-holsteinischen Itzehoe auf seiner Internetseite mit. Das Genussrechtskapital beträgt nach Firmenangaben zufolge knapp 1,4 Milliarden Euro. Die Firma beschäftigt etwa 1.300 Mitarbeiter.
In einem Schreiben an die Anleger hatte Prokon erklärt, eine Planinsolvenz lasse sich nur beim Erhalt von mindestens 95 Prozent des Genussrechtskapitals verhindern. 5 Prozent von 1,4 Milliarden Euro wären 70 Millionen Euro, die zurzeit gekündigten knapp 188 Millionen Euro machen gut 13 Prozent des Genussrechtskapitals aus. Prokon bittet die Anleger, sich bis zum 20. Januar zu erklären. Bislang sind nach Firmenangaben Kündigungen im Wert von 9,75 Millionen Euro wieder zurückgenommen worden.
Verbraucherschützer hatten wiederholt vor Privatinvestitionen bei Prokon gewarnt, das Anleger mit Zinsversprechen von 8 Prozent lockt. Der Verdacht: Die ungewöhnlich hohe Rendite werde nicht real erwirtschaftet, sondern lediglich durch neu gewonnene Anleger finanziert.
Die taz hatte bereits vor vier Jahren kritisch über das Prokon-Geschäftsmodell berichtet. Prokon-Anleger Klaus Boe warf dem Unternehmen im Februar 2010 in der taz vor: „Prokon betreibt ein Schneeballsystem, das in wenigen Jahren komplett crashen und zu einem der größten Skandale der deutschen Windbranche werden könnte.“ Private Anleger hätten also vor der Firma gewarnt sein können.
Über 300 Windkraftanlagen
Völlig unklar ist, was bei einer möglichen Insolvenz des Windparkbetreibers aus den – sicherlich werthaltigen – Produktionsanlagen der Firma wird. Das Unternehmen betreibt nach eigenen Angaben 314 Windkraftanlagen mit einer installierten Leistung von 526 Megawatt. Diese Windräder dürften sich wohl auch bei einer Pleite der Firma weiter drehen.
Der Marktanteil der Itzehoer Firma ist damit gering – trotz der hohen Investitionen der Anleger. So gab es Ende 2012 nach Brancheninformationen in ganz Deutschland mehr als 23.000 Windkraftanlagen, mit einer Leistung von rund 31.300 Megawatt; Prokon hat demnach einen Anteil von etwa 1,7 Prozent bei der hierzulande installierten Windkraftleistung.
Darüber hinaus engagiert sich Prokon bei einem holzverarbeitenden Unternehmen im sächsischen Torgau und betreibt ein Pflanzenölwerk in Magdeburg, das aus Raps Biodiesel und Futtermittel für die Landwirtschaft herstellt.
Stabile Aussichten auf dem Biokraftstoffmarkt
„Das Werk gehört zu den mittelgroßen in Deutschland und hat eine sehr gute Verkehrsanbindung“, sagt Frank Brühning vom Branchenverband der Biokraftstoffindustrie. Erst zuletzt sei dort investiert worden, so dass das Werk nun den Raps komplett verarbeiten könne.
Der Biokraftstoffmarkt bietet laut Branchenkennern stabile Aussichten – auch wenn der Markt für reinen Biodiesel im vorletzten Jahr nach dem Ende der steuerlichen Förderung zusammengebrochen ist. Die politisch gewollte Beimischungsquote von Biokraftstoffen an herkömmlichen Kraftstoffen sichert den Herstellern aber auch künftig Absätze. Allerdings sollen diese günstigen Förderbedingungen bei den Agrarkraftstoffen im Jahr 2015 geändert werden.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Kanzler Olaf Scholz über Bundestagswahl
„Es darf keine Mehrheit von Union und AfD geben“
Weltpolitik in Zeiten von Donald Trump
Schlechte Deals zu machen will gelernt sein
Einführung einer Milliardärssteuer
Lobbyarbeit gegen Steuergerechtigkeit
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Trump macht Selenskyj für Andauern des Kriegs verantwortlich
Wahlarena und TV-Quadrell
Sind Bürger die besseren Journalisten?
Emotionen und politische Realität
Raus aus dem postfaktischen Regieren!