piwik no script img

Willensbildung, auf Realo- oder Fundi-Art

■ Die nordrhein-westfälischen Grünen streiten über Modus für Kandidatenkür

Düsseldorf (taz) – Bei den nordrhein-westfälischen Grünen bahnt sich eine scharfe innerparteiliche Auseinandersetzung über die Beteiligung der Parteibasis an der Nominierung der künftigen Bundes- und Landtagskandidaten an. In einem der taz bekanntgewordenen Antragspapier für den Landesparteirat der NRW-Grünen am 5. September in Essen kommt der Landesvorstand strömungsübergreifend zu dem Ergebnis, daß die in der Partei diskutierten „neuen Varianten der Willensbildung“ bei der Aufstellung von Parlamentskandidaten „einer ernsthaften Prüfung nicht standhalten“.

Wörtlich heißt es in dem Landesvorstandspapier: „Plebiszite setzen das Vorhandensein von nachvollzieh- und entscheidbaren Alternativen voraus. Ob dies bei der Mehrzahl der KandidatInnen, die über einen geringen innerparteilichen Bekanntheitsgrad verfügen, gegeben ist, bezweifeln wir.“ Viele Mitglieder wären aufgrund fehlender Diskussionsmöglichkeiten „gezwungen, nach Katalog zu wählen“.

Die letzte Landesdelegiertenkonferenz der NRW-Grünen hatte den Parteivorstand beauftragt, „konkrete Vorschläge zur Durchführung innerparteilicher Vorwahlen zu entwickeln“. Der daraus resultierende Antrag des Landesvorstandes, der lediglich Regionalversammlungen vorsieht, auf denen sich alle Listenkandidaten vorstellen und anschließend „mit einem Regionalvotum“ ausgestattet werden sollen, stößt im Realo-Lager auf heftigen Widerstand.

Die Realos bestehen darauf, daß bei der Aufstellung der Bundes- und Landtagskandidaten „jedes Mitglied über schriftliche Abstimmung an den Vorwahlen teilnehmen kann“. In einem von Michael Vesper, dem parlamentarischen Geschäftsführer der Grünen im Landtag, formulierten Gegenantrag heißt es: „Grundsätzlich muß jedes grüne Mitglied die Möglichkeit haben, sich an den Vorwahlen zu beteiligen.“ Nach einer innerparteilichen Meinungsbildungs- und Diskussionsphase sollen die Vorwahlen der Bundestagskandidaten in NRW nach dem Vesper-Vorschlag Mitte November eingeleitet und am 15. Januar 1994 abgeschlossen werden. Auf der Grundlage der Vorwahlergebnisse soll der Landesparteirat der Landesdelegiertenkonferenz Kandidatenvorschläge für die Bundes- und Landtagswahlen unterbreiten.

Die Realos werfen der bei den NRW-Grünen dominierenden Parteilinken vor, eine breite Mitgliederbeteiligung zu unterlaufen, um so ihre Kandidaten durchsetzen zu können. „Je weiter die Linken an die Basis gehen, desto mehr müssen sie um ihre Mehrheiten fürchten“, heißt es bei den Realos. Johannes Nitschmann

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen