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Will Polen in die Nato?

■ Ex-Außenminister Olechowski über die Gründe für seinen Rücktritt

Warschau (taz) – Am Freitag hatte er sein Amt niedergelegt, nun nennt er einige Gründe: Polens Ex-Außenminister Andrzej Olechowski hat in einem großen Artikel in der Tageszeitung Gazeta Wyborcza die Koalitionsregierung von Waldemar Pawlak heftig wegen ihrer außenpolitischen Linie angegriffen. Der Premierminister, der Außenhandelsminister und zahlreiche Vertreter der Koalitionspartner (Sozialdemokraten und Bauernpartei) hätten in den letzten Monaten seine Außenpolitik konterkariert, hintertrieben und im Ausland schlechtgemacht. Außenpolitische Initiativen und Staatsbesuche seien nicht mit ihm abgesprochen worden. Die Regierungsparteien hätten sich darüberhinaus bemüht, das Diplomatische Corps von Solidarność-Anhängern zu säubern und diese durch frühere kommunistische Funktionäre zu ersetzen.

Olechowski, der als einer der profiliertesten Befürworter der Integration Polens in die EU und die Nato gilt, war zurückgetreten, nachdem Pawlak ihm vorgeworfen hatte, er habe den Osthandel und die Beziehungen zu Rußland vernachläßigt. Der ehemalige Außenminister erklärte dazu, die Regierung stelle seine Politik der Integration Polens in westliche Strukturen immer mehr in Frage. Sprecher der Koalition wiesen Olechowskis Vorwürfe inzwischen entschieden zurück und verkündeten, die Westintegration bleibe Polens vorrangiges außenpolitisches Ziel.

Zweifel daran werden allerdings nicht nur in Polen laut. Auch in diplomatischen Kreisen im In- und Ausland beobachtet man mit Sorge, daß die innenpolitischen Auseinandersetzungen vorwiegend mit dem Rücktritt reformfreudiger und prowestlicher Politiker enden, während die Regierung reformunwillige oder politisch belastete Kandidaten favorisiert. Zuletzt trat so die Chefin der Antimonopolbehörde aus Protest gegen Pawlaks zentralistische Wirtschaftspolitik zurück. Es gibt in den Reihen von Bauernpartei und Sozialdemokraten auch einflußreiche Politiker, die einen Nato-Beitritt von jeher ablehnen.

Nicht, weil sie eine dahingehende Politik für unrealistisch halten, sondern aus ideologischen Motiven und Rücksicht auf Moskau. So hat sich Tadeusz Iwinski, einer der außenpolitischen Sprecher der Sozialdemokraten, sogar die russische Forderung nach einer Unterordnung der Nato unter die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) zu eigen gemacht. Und Longin Pastsiak, Kandidat der Koalition für das Verteidigungsministerium, hat angeregt, die regelmäßigen Treffen der deutschen, polnischen und französischen Außenminister durch Hinzuziehung ihres russischen Kollegen zu erweitern. Dies hatte Olcheowski scharf zurückgewiesen. Nato-Gegner Pastusiak ist ein ehemaliger Parteiideologe der Kommunisten.

Inzwischen sind nun bereits zwei wichtige Ministerposten vakant, über deren Besetzung sich Präsident Walesa und die Regierung nicht einig werden können: Einen Verteidigungsminister Pastusiak will Walesa „für kein Geld der Welt“ zulassen.

Für das Außenministerium gibt es noch keinen Kandidaten. Neue Minister kann die Koalition nur mit Walesas Zustimmung ernennen, der aber hat der Regierung den Krieg erklärt und erwägt sogar, seinen einzigen noch in der Regierung verbliebenen Vertrauten, Innenminister Andrzej Milczanowski abzuziehen. Dann könnte er die Regierung ohne Einschränkungen attackieren.

Deshalb wird in Warschau eine andere Variante gehandelt: Die Regierung tritt nach einem „künstlichen“ Mißtrauensvotum zurück und wird mit einem neuen Verteidigungs-, Außen- und eventuell Innenminister wiedergewählt. Dazu wäre Walesas Zustimmung nicht erforderlich. Klaus Bachmann

siehe auch Seite 10

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