Wilhelmsburg ohne Schwimmhalle: Auf dem Trockenen
Das Netzwerk „IBA? Nigs Da!“ kritisiert, dass die Wilhelmsburger zurzeit nicht schwimmen können. Den Abriss des alten Bades halten die Stadtteilaktivisten für überflüssig.
Die Internationale Bauausstellung (IBA) in Wilhelmsburg bleibt im Stadtteil umstritten. Jüngstes Beispiel ist die neu gegründete Kampagne „IBA? Nigs Da!“, die „Alternativen zu neoliberaler Aufwertungshysterie“ aufzeigen und deutlich machen möchte, „dass sich nicht alle widerstandslos für Hamburgs Standortwettbewerb einspannen lassen“.
Mit 160 Millionen Euro fördert der Senat den sogenannten „Sprung über die Elbe“, mit dem Wilhelmsburg aufgewertet werden soll. Doch im Stadtteil bezweifeln manche, dass sie auch davon profitieren. So wurde etwa im September das bis dahin sehr gut besuchte Schwimmbad abgerissen – unnötigerweise, wie die Initiative „IBA? Nigs Da!“ findet. „Dieser Kanal hier gab den Ausschlag, das Schwimmbad abzureißen“, sagt Jörg von Prondzinski, einer der Organisatoren der Kampagne. Er weist auf eine platte Baufläche, durch die sich rechtwinklig ein Stück des Kanukanals zieht. Er wurde angelegt, um Besucher zur Internationalen Gartenschau 2013 zu locken – neben der IBA das zweite Großprojekt, das dieses Frühjahr in Wilhelmsburg eröffnet.
Während von Prondzinski spricht, rollen die Bagger, und im Hintergrund wächst das neue Gebäude für die Behörde für Umwelt und Stadtentwicklung (BSU) in den Wilhelmsburger Himmel. Mit dem Bau der Behörde fingen die Probleme für das Schwimmbad an, sagt von Prondzinski: „Zuerst soll die BSU zu groß geplant worden sein“, sagt er. „Dann hatte sich dieses Argument erledigt, und ein neues wurde gefunden“ – eben der Kanukanal, der so nah an das Schwimmbad herangeplant wurde, „dass es in den Kanal gefallen wäre“.
Der Wilhelmsburger von Prondzinski ärgert sich nicht nur über den Abriss des Schwimmbades als solchen, sondern auch darüber, dass die IBA ihr Wort gebrochen habe: Demnach sollte es zwischen der alten und der neuen Schwimmhalle auf der anderen Straßenseite einen zeitlich nahtlosen Übergang geben. Dass die Wilhelmsburger nun bis Ende März warten müssen, bis die neue Schwimmhalle fertig ist, zeigt in den Augen von „IBA! Nigs Da!“, dass die beiden Großveranstaltungen IBA und Gartenschau „mehr Schein als Sein“ im Sinn hätten und gegen den Willen der Wilhelmsburger planten.
Im April 2012 hatte der Wilhelmsburger Rechtsanwalt Stefan Waterkamp eine Petition gegen die Schließung des alten Schwimmbades vor Eröffnung des neuen eingereicht, doch die wurde von der Bürgerschaft „wegen der Verzahnung von Baumaßnahmen“ abgelehnt. Auch der Protest der Schwimmvereine konnte den Abriss nicht aufhalten. Die IBA behauptet, dass ihr Geschäftsführer Uli Hellweg „nie gesagt“ habe, „dass keine Lücke zwischen Abriss und Neubau“ entstehen solle. Die Bauzeit von anderthalb Jahren sei „außergewöhnlich kurz“, das neue Schwimmbad fast doppelt so groß wie das alte und „dabei wesentlich energieeffizienter“, so IBA-Sprecher Rainer Müller.
Die Bäderland GmbH als Betreiberin der öffentlichen Hamburger Schwimmbäder unterhält 28 Anlagen.
Das neue Bad in Wilhelmsburg soll mit einem 25-Meter-Pool und einem 33 x 25-Meter-Pool laut IBA-Sprecher Rainer Müller „Hamburgs größte und modernste Schwimmhalle“ werden.
Die Eintrittspreise werden laut Bäderland-Sprecherin „nicht exakt dieselben des alten Bades, aber auf gleichem Niveau“ sein.
Der geplanten Eröffnung Ende März sehen die Kritiker von „IBA! Nigs Da!“ misstrauisch entgegen. Auch der Geschäftsführer des Turn- und Schwimmvereins Harburg/Wilhelmsburg, Hartmut Wirl, ist besorgt, ob der angekündigte Termins eingehalten werden kann. Bis dahin wird er weiter den Mitgliederverlust dokumentieren, mit dem der Verein seit der Schließung zu kämpfen hat. Besonders schade, findet Wirl, sei der Verlust für die vielen migrantischen Kinder in Wilhelmsburg, für die es nicht möglich ist, in die Ausweichhalle in Finkenwerder zu kommen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Proteste bei Nan Goldin
Logiken des Boykotts
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Bundeskongress der Jusos
Was Scholz von Esken lernen kann
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestsellerautor will in den Bundestag
Schwedens Energiepolitik
Blind für die Gefahren