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Wildtiere im ZirkusKein Spielplatz für den Elefant

Trotz Verstößen gegen eine tiergerechte Haltung dürfen Wildtiere in Zirkussen bleiben. Die Regierung kann sich nicht dazu aufraffen, nach dem Muster Englands ein Verbot auszusprechen.

Damen auf dem Rüssel - das war früher die ganz große Show. Bild: dpa

BERLIN taz | Jim Fitzpatrick will die Initiative ergreifen. Nachdem sich bei einer Umfrage in Großbritannien 94 Prozent der Befragten gegen die Haltung wilder Tiere in Wanderzirkussen ausgesprochen hatten, verkündete der britische Umweltminister, er plane ein Verbot. Die Zustände seien "nicht länger hinnehmbar".

Wie Zirkustiger und andere dressierte Wildtiere auf Reisen gehen, ist auch in Deutschland häufig nicht tiergerecht. Allein in Berlin gab es laut Senat bei rund 200 Zirkusgastspielen zwischen 2004 und 2009 mehr als 140 Verstöße gegen die geltenden Tierhaltevorschriften. "Sowohl bei der Unterbringung als auch bei Ernährung und Pflege gibt es regelmäßig Mängel", sagt die Berliner Amtstierärztin Diana Plange. Die Tiere bekämen zu wenig Wasser, zu wenig Auslauf und zu wenig Beschäftigung.

Dem Circus Krone, der nach eigenen Angaben der größte Zirkus Europas ist, wurde im vergangenen Jahr sogar richterlich bescheinigt, dass seine Tiere leiden: Weil Elefanten und Pferde auf zu engem Raum eingepfercht wurden und keine Spielmöglichkeiten hatten, verurteilte das Amtsgericht Darmstadt Zirkusdirektorin Christel Sembach-Krone zu einer Geldstrafe.

Schon vor mehr als sechs Jahren forderte der Bundesrat die Regierung angesichts solcher Zustände zum Handeln auf. Die Vertreter der Bundesländer verlangten eine Verordnung, die das Halten von bestimmten Wildtieren wie Affen, Elefanten und Großbären in Zirkusbetrieben "grundsätzlich verbietet". Für Fälle, in denen Wildtiere dennoch mit einem Zirkus auf Reise gehen, forderte der Bundesrat eine "zentrale Erfassung".

Das zuständige Agrarministerium kam dieser Aufforderung jedoch nur teilweise und deutlich verspätet nach. Erst nach mehr als vier Jahren kam eine Verordnung für ein Zirkuszentralregister.

"Kontrollen des Tierschutzes in Zirkussen werden zukünftig leichter", verkündete das Ministerium schließlich Anfang 2008. Doch zunächst blieb es Sache der einzelnen Bundesländer, die Zirkusse und ihre Wildtiere zu registrieren: Erst im März vergangenen Jahres wurde das bayerische Landwirtschaftsministerium mit der Einrichtung eines bundesweit zugänglichen EDV-Registers beauftragt. Fertiggestellt wurde das seit 2003 geforderte System erst vor wenigen Wochen.

Trotzdem setzt die Bundesregierung weiterhin auf das Zirkusregister und will dem Vorstoß Englands nicht folgen. Man habe verfassungsrechtliche Bedenken gegen ein Wildtierverbot für Wanderzirkusse, teilte ein Sprecher von Bundesagrarministerin Ilse Aigner mit. Aus Sicht der CSU-Ministerin könne das Recht auf Berufs- und Eigentumsfreiheit der Zirkusdompteure nicht zugunsten des Tierschutzes beschnitten werden.

"Wir fordern Bundesministerin Ilse Aigner auf, ihre ablehnende Haltung aufzugeben", erklärt Thomas Pietsch, Wildtierexperte beim Tierschutzverein Vier Pfoten. Ziel müsse ein generelles Verbot sein, wie es in Österreich oder Ungarn bereits seit Jahren rechtskräftig ist.

Auch die Berliner Tierärztin Plange hat Zweifel am Register: "Das kann nur funktionieren, wenn wirklich alle Tierärzte sämtliche Zirkusse regelmäßig besuchen." Jedoch seien viele Veterinärämter schlecht aufgestellt und voll ausgelastet. Die grundsätzliche Problematik bleibe allerdings, so oder so, sagt Plange: "Selbst eine lückenlose Dokumentation ist noch kein Abstellen von Missständen."

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7 Kommentare

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  • T
    Torsten

    Ich komme aus der Nähe von Darmstadt und konnte mich bei besagtem Gastspiel von der guten Tierhaltung des Circus Krone überzeugen. Nach meinem Kenntnisstand hat der Circus Krone wurde beanstandet, dass die Elefanten nicht ausreichend Beschäftigungsmöglichkeiten hätten, dem ist wohl abgeholfen worden.

     

    Die Hetzjagd der sog. Tierschützer gegen Zirkusunternehmen ist nicht mehr nachvollziehbar. Wer in einen gut geführten Circus geht, kann sich von der guten Pflege der Tiere überzeugen. Ziel der Terschützer scheint ja die Rückkehr zum Paradies zu sein: Keine Tiere mehr in menschlicher Obhut (Circus, Tierpark, Zoos etc.). Dabei wird hier viel zur Arterhaltung beigetragen und gerade Kindern die Schönheit der Tiere ganz nah gebracht.

     

    Circus ohne Tiere ist kein Circus, sondern Variete.

  • A
    Antonietta

    Tiere gehören nicht in den Zirkus, sondern in die freie Wildbahn. Der Lebensraum "Zirkus" ist für die Tiere viel zu klein. Großkatzen z.B. stoßen nach einigen Schritten an Gitterstäbe, zwischen denen sie stundenlang verzweifelt hin und her streichen. Bären wiederum, eine von Natur aus sehr neugierige Art, leiden vor allem unter der Monotonie des Zirkusalltags. Und an Perversion grenzt die Haltung von Seelöwen: Tiere, die in freier Wildbahn bis zu 100m tief tauchen, müssen ihr Leben in umgebauten LKW's fristen. Hinzu kommt bei allen Tieren der krank machende Streß durch die ständigen Transporte und Auftritte vor klatschendem und johlendem Publikum. Deswegen sollte man in Zirkusse gehen, in denen nur Menschen auftreten, wie den Chinesischen Zirkus, Cirque du Soleil oder Flic Flac.

  • A
    Amtshirsch

    "Wann waren Frau Prange und der sogenannte (oder sollte ich schreiben "Selbsternannte)Wildtierexperte von Vier Pfoten das letzte Mal in einem gut geführten Zirkus? In einem solchen findet man nämlich glückliche, ausgeglichenme und ausgelastete Tiere, denen es an nichts fehlt".

    Selbst wenn man das " glückliche Tiere, denen es an nichts fehlt" hier jetzt nicht kommentieren will, weil das, wie Sie sich selbst wissen Unsinn ist, es bleibt die traurige Tatsache, dass es unter den mehr als 400 in Deutschland reisenden Zirkusunternehmen eben nur sehr wenige gibt (ca 10! ) die überwiegend (also auch nicht immer) die MINDESThaltungsvorraussetzungen einhält.

    Mein Votum daher: Generelles Verbot der Mitführung von Wildtieren mit Ausnahmegenehmigung für diejenigen Unternehmen, welche die Tiere in weit über die Mindesthaltungsbedingungen hinausgehenden nicht nur metrisch beurteilten Bedingungen halten und ohne tierschutzrechtliche Beanstandungen waren und bleiben.

    Grrüßt der Amtshirsch sich der Meinung von Kollegin Plange anschließend

  • I
    Iris

    Für einen Zirkus ohne Tiere!

    Artgerecht ist nur die Freiheit.

  • K
    K.L.

    Zu Ihrem Beitrag "Wildtiere im Zirkus" wäre anzumerken:

     

    Nach meiner Kenntnis hat das Amtsgericht Darmstadt die Klagen, die von bestimmter Seite gegen den Circus Krone angestrebt wurden, entgegen Ihrer Darstellung weitgehend abgewiesen und lediglich eine mehr symbolische Geldstrafe erteilt mit zwei Auflagen: zum einen sollte den Elefanten in einem bestimmten Fall zur Beschäftigung mehr Geäst ins Freigehege gegeben werden, zum anderen sollten einige Pferdeboxen (was ohnehin vorgesehen war) jeweils um 30 cm verbreitert werden.

     

    Davon, dass die Tiere leiden würden bei Krone, kann unter solchen Gesichtspunkten also überhaupt keine Rede sein.

     

    K.L.

  • M
    Marco

    Frau Aigner tut sich aber sehr schwer mit dem Durchsetzen des Wildtierverbotes bei Zirkussen. Das Berufswahlfreiheitsgesetz ist demnach also wichtiger als das Beenden der Tierquälerei in Zirkussen? Es ist kein Wunder...die CDU/CSU mit Volker Kauder an der Spitze, sind die größten Blockierer dieses fortschrittlichen Verbotes. Generell hat diese Partei mit Tierschutz nur sehr wenig gemein!Wenn ein Elefant zwanzig Stunden / Tag angekettet auf einer Stelle stehen muß oder sich nur zwei Schritte vorwärts/rückwärts bewegen kann, mit was ist das vergleichbar? In diesem Beitrag wird Zirkus Krone erwähnt...jeder kann selbst nachlesen: Peta Pressekonferenz 17.9.2009 / dort ist sogar nachzulesen, daß die Elefanten dieses Zirkusses nur zu Fixzeiten getränkt werden, da sie sonst zu viel urinieren würden! Hier erübrigt sich jeder weitere Kommentar.

  • D
    Dieter

    Einseitig, schlecht recherchiert und unwahr ist dieser Beitrag.

     

    Welches Fachwissen über artgerechte Haltung von Wildtieren hat denn Frau Plange? Tierärztin zu sein, macht noch nicht zur Fachfrau in Wildtierfragen.

     

    Welche Ausbildung und welches Fachwissen machen den selbsternannten Wildtierspezialisten von vier Pfoten denn zum Fachmann? Hat er schon mit Wildtieren gearbeitet? Kennt er tatsächlich das Verhalten dieser Tiere?

     

    Hier werden pauschale Aussagen getroffen, geringfügige Verstösse als Normalität angeprangert und ständig von artgerechtem leben gesprochen, ohne zu definieren was überhaupt artgerecht ist.

     

    Kennt der Schreiber dieses Artikels die Wirklichkeit? Hat er sich beim Zirkus ein Bild von den Gegebenheiten gemacht? Ich denke nicht, denn sonst würde er diese Vorwürfe nicht erheben.

     

    Wann waren Frau Prange und der sogenannte (oder sollte ich schreiben "Selbsternannte)Wildtierexperte von Vier Pfoten das letzte Mal in einem gut geführten Zirkus? In einem solchen findet man nämlich glückliche, ausgeglichenme und ausgelastete Tiere, denen es an nichts fehlt.

    Tierliebe steht in guten Unternehmen an allererster Stelle und mit sehr viel Liebe wird mit den Tieren gearbeitet. Tiere sind hier Partner und Freunde und diesen tut man kein Leid an.

     

    Meine Empfehlung: In einenguten Zirkus gehen und sich davon überzeugen, dass es den Tieren dort besser geht, als in der Natur. Ich vermeide bewusst die Bezeichnung "natürliche Umgebung", denn diese haben Zirkustiere im Zirkus in dem sie seit Generationen leben. Die freie Wildbahn wäre für diese Tiere die Hölle und das unmittelbare Todesurteil.