■ Wiederaufnahme des Prozesses gegen Monika Weimar: Chance für einen fairen Prozeß
Die Sonne scheint auf Gerechte und Ungerechte. Damit wahrt immerhin sie eine Neutralität, die auch der Gerichtsberichterstattung gut anstünde. Daß sich Parteilichkeit allzu leicht einschleicht, wenn die Verbrechen, über die berichtet werden muß, das Maß des eigenen Vorstellungsvermögens überschreiten, ist ein allzu menschliches Phänomen. Kindsmord und sexueller Mißbrauch von Kindern gehören dazu. Im Vorfeld der Revisions- und Wiederaufnahmeverfahren der Monika Weimar, die 1988 als Mörderin ihrer beiden fünf- und siebenjährigen Töchter verurteilt wurde, ist wieder und wieder viel zuviel geschrieben und gesagt worden. Die einen sahen in ihr die zu Unrecht zu lebenslanger Haft verurteilte Unschuld, deren Geschichte sich trefflich vermarkten ließ. Andere geißelten unerbittlich bis zu alttestamentarischer Strenge schwerste Schuld und mangelnde Reue.
Daß der als Revisionsanwalt zu berechtigter Anerkennung gelangte Hamburger Jurist Gerhard Strate über Jahre hinweg nicht aufgegeben hat, eine Wiederaufnahme zu erreichen, ist eine Chance, ein Verfahren nachzubessern, das von der ersten Stunde an verfahren war. Widersprüchliches und unverständliches Verhalten der Angeklagten und der Zeugen, Profilsucht und Schlampigkeit von Ermittlungsbeamten, die untereinander bis zu persönlicher Feindschaft in Konkurrenz traten, trugen dazu ebenso bei wie ein Klima öffentlicher Vorverurteilung. Eine ungeübte Verteidigung bestand nicht auf der nach allen Regeln der Wissenschaft fachgerechten Prüfung der Indizien, sondern pochte blauäugig auf die Unschuld ihrer Mandantin. Daß das Fuldaer Landgericht in der Urteilsbegründung Lücken im Tatgeschehen nach eigenem Dafürhalten ergänzte, statt ebenso berechtigten Zweifeln zugunsten der Angeklagten gründlich nachzugehen, ist ihm deshalb nur bedingt anzulasten.
Die öffentlich bisher bekanntgewordenen Beweismittel zugunsten von Monika Weimar, mit denen Gerhard Strate nun die Wiederaufnahme erstritt, wurden bisher auch von ExpertInnen immer wieder als „zu dünn“ bewertet. Das wird neuen emotionsgeladenen Streit zwischen den selbsternannten RichterInnen in den Medien provozieren. Wie immer das neue Verfahren ausgehen wird: Die Wiederaufnahme kann neun Jahre nach der Tat bestensfalls fair trial sein, nicht aber Garantie für die Sühne der Morde und die Entdeckung einer Wahrheit, die immer noch nur die Beteiligten kennen. Heide Platen
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