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■ Wie plaziert man Verbotsschilder? Und was schreibt man drauf?Das Kölner Domplattendilemma

DAS FAHREN MIT ROLLBRETTERN IST IN DER ZEIT VON 22.00 BIS 6.00 UHR VERBOTEN! Schilder mit dieser Aufschrift stehen an allen strategisch wichtigen Punkten der Kölner Domplatte. Unter „strategisch wichtigen Punkten“ muß man sich in diesem Fall die Zugänge zur Domplatte vorstellen – oder eigentlich: die Zufahrten zu ihr.

Demnach, sollte man meinen, könnte nun jeder Rollbrettfahrer die Schilder zur Kenntnis nehmen und sie vor allem respektieren. Doch das stete Klapp-Klapp der Rollbretter, das im Kanon die Sprünge über die Kanaldeckel begleitet – allabendlich und stets nach 22.00 Uhr – sowie die ungezähmten schmerzvollen Schreie der Spaziergänger, die den ungezählten gequälten Kehlen entrinnen, zeugen davon, daß dem keineswegs so ist.

Aber warum nur? Sind denn wirklich alle Rollbrettfahrer Anarchisten, Outlaws oder Underdogs, die aufgestellte Regeln bewußt mißachten? Das werden wohl die meisten, und vor allem die, die Liebhaber des bundesdeutschen Schilderwaldes sind, mit einem klarsichtigen „Nein“ dann doch verneinen wollen und der Kölner Stadtverwaltung raten, die „strategisch wichtigen Punkte“ eben nicht an sondern endlich auf der Domplatte zu verorten. Denn stünden die Schilder in ihrem Zentrum – und zwar alle zusammen –, würden die Rollbrettfahrer sie wohl nicht so häufig übersehen. Und wenn doch, dann würden eben mal die Rollbrettfahrer schreien und nicht die Spaziergänger.

Augenärzte werden jetzt womöglich einwenden, daß es aus ihrer Sicht völlig egal ist, wo sich die wahren strategischen Punkte befinden. Daß alle Rollbrettfahrer einfach nur kurzsichtig sind und ungezogen, weil sie sich weigern, Brillen zu tragen, weil die nicht zu ihrem sonstigen Outfit passen, weil die Optikindustriedesigner und Optikindustriedesignerinnen immer noch keine coolen Rollbrettfahrernasenfahrräder erfunden haben.

Da werden aber gleich die Kontaktlinsenhersteller gegenhalten – und mit zielgenauer Vehemenz alles auf die Deutschlehrer schieben. „Versager! Versager!“ – hört man sie schon höhnen – „Ihr bringt den jungen Rollbrettfahrern das Lesen nicht bei; alles, was ihr produziert, sind rollbrettfahrende Analphabeten!“

Gesenkten Hauptes schwärmen daraufhin die Deutschlehrer in ihre Schulklassen aus, die Zöglinge zu lehren, was es heißt, das Wörtchen „Rollbrettfahrer“ nicht lesen zu können. Und erst ein Klassenprimus, der ausdrücklich dafür bekannt ist, zusammengesetzte Substantive wie Heißgetränk, Kaltschale, Randbegrünung, Schweinskopfsülze oder Münzfernsprecher mühelos lesen zu können, erst dieser Streber also wird das wahre Problem zu Tage fördern.

Er wird nämlich zugeben, den Begriff „Rollbrett“ noch nie im Leben gehört zu haben und ihn folgerichtig gar nicht zu kennen. Um die Durchführung des schönen zusammengesetzten Substantivs Klassenkeile nicht zu erleben, wird er sich mit seinem Geständnis jedoch nicht an seine Lehrer wenden, sondern an die Zeitschrift Eltern.

In derselben Ausgabe wird sich übrigens eine ältere Dame beschweren – darüber, daß in ihrer Heimatstadt Wiesbaden plötzlich Schilder aufgestellt wurden, auf denen geschrieben steht: Skaten verboten! Björn Blaschke

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