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SurfbrettWie liberal dürfen Liberale sein?

Bös hat es sie in Hessen erwischt, die deutschen Liberalen. Optimisten könnten daraus schließen, dass genau das der Grund ist, warum der Server www.liberale.de/db/dk.topics.phtml so unendlich lange braucht, um zu antworten. Unter dieser Adresse nämlich wird diskutiert, und auf richtig satten Streit um Moral und Macht mag die liberale Hardware ursprünglich nicht ausgelegt gewesen sein. Pessimistischer stimmt dann aber, dass sich die meisten Beiträge auch in diesen Tagen lediglich mit der Kritik am Onlineangebot der FDP beschäftigen. Auch dafür kann man Sympathie entwickeln. Die Webmaster haben sich die mutmaßlich langsamste Forums-Software gekauft, die zu haben war. Nun werden die Freien Demokraten noch längere Zeit nicht wegen ihrer technischen Kompetenz gewählt, eher schon, wenn auch bekanntlich selten, wegen des Verdachts, diese Partei fühle sich den bürgerlichen Freiheitsrechten und dem Rechtsstaat verpflichtet. In diesem Sinn hagelt es denn auch harsche Kritik an der beharrlichen Landeschefin von Hessen. Über der Liste der Beiträge steht ausdrücklich, dass die Diskussion moderiert sei. Eine Parteitagsregie wird man den Moderatoren gewiss nicht vorwerfen können, sie lassen auch verbale Beschimpfungen der eigenen Führung zu. Sobald das Thema aber den hausgemachten Ärger verlässt, fragt man sich doch, ob die Moderatoren ihre Rolle richtig verstehen. Zur Frage der EU-Sanktionen gegen die neue Regierung von Österreich häufen sich lange Pamphlete von mehr oder weniger offen als NPD-Anhänger auftretenden Schreibern. Sie enthalten wüste antisemitische Formulierungen, die ohne weiteres den Tatbestand der Volksverhetzung erfüllen. Warum werden solche von vornherein leicht als Propaganda erkennbaren, keineswegs spontanen Beiträge nicht gelöscht? Die nahe liegende Antwort, dass Liberale eben so liberal seien, greift zu kurz. Es gibt gute Gründe, Rechtsextremisten nicht aus dem Internet zu verbannen. Nirgendwo können sie besser entlarvt werden. Aber die Website der FDP ist nicht das Internet. Sie ist selbst nur ein mehr oder weniger intelligentes Mittel einer Partei, die sehr wohl Verantwortung dafür trägt, was in ihren Diskussionsforen gesagt wird. Sie sollte sich nicht als Plattform für solche Exzesse missbrauchen lassen. Sonst stellt sich der ganz andere, schreckliche Verdacht ein, dass in dieser den liberalen Prinzipien verpflichteten Partei eines Ignatz Bubis eine unheimliche Fraktion mit Sympathien für die FPÖ eines Jörg Haider existiert. Dann allerdings war der Streit um Hessen nur das Vorspiel der heraufziehenden Existenzkrise.

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