■ Wie im richtigen Leben: Papageno über sich:
Er ist lustig und hat einen gesunden Menschenverstand. Er ist furchtsam, kann sich aber Hals über Kopf verlieben. Papageno ist sicher die schillerndste Figur in Mozarts „Zauberflöte“. Als Interpret dieser Rolle hat man den engsten Kontakt zum Publikum. Im Gegensatz zum deutschsprachigen Raum gibt es bei den Opernfestspielen von Aix-en-Provence natürlich eine Sprachbarriere. Erstaunlicherweise ist diese Hürde aber nicht unüberwindlich. Ich kann zwar weniger mit dem Text spielen, nehme es aber als Herausforderung, mit Gestik und Mimik das Publikum einzufangen. Selbst in Frankreich behalte ich die österreichische Färbung meiner Sprache bei. Ich meine, daß sich die Rolle sprachlich abheben soll, um den Unterschied zwischen den Welten deutlich zu machen. Hier sind ja die „Oberen“: Der Fürst Tamino, die Königin der Nacht, der Hohepriester Sarastro. Und dort eben der einfache Mensch, Papageno, gewissermaßen der Waldmensch. Das hat Librettist Emanuel Schikaneder bewußt so angelegt. Ich bin überzeugt, daß er bei der Uraufführung 1791 in Wien die Sprache des Volkes benutzt hat.
Ich fühle mich in dieser Sprache ausgesprochen wohl. Sie entspricht meinem Naturell. Ich komme von einem Bauernhof und bin in eben dieser kleinen Welt aufgewachsen. Deshalb bin ich auch nach über 200 Auftritten als Papageno dieser Figur nicht überdrüssig. Das Publikum kann sich mit diesem Charakter identifizieren. Die Figur verbindet alle menschlichen Fehler, Schwächen, Freuden und Leiden. Und Papageno gewinnt am Schluß, obwohl er keine einzige Heldenprüfung bestanden hat. Er will ja, kann es aber nicht. Es klingt pathetisch, aber ist halt wie im richtigen Leben. Es gibt Prüfungen, die man nicht besteht, an denen man aber trotzdem wachsen kann.
Die Geschichte wiederholt sich ja immer wieder. In der „Zauberflöte“ geht es um Liebe, Todesangst, Freude und Neid, um Gefühle, die die Welt regieren und die sich durch Kriege und Katastrophen nicht verändern lassen. Die Menschheit ist dazu verurteilt, immer wieder dieselben Fehler zu machen. In jedem Wort der „Zauberflöte“ liegt so viel Klugheit und Wahrheit, daß ich die Rolle wahrscheinlich noch zehn, fünfzehn Jahre lang singen und bei jedem Regisseur noch neue Aspekte entdecken kann. Egal, ob die Inszenierung gut oder schlecht ist. Das Urteil darüber ist nicht meine Aufgabe. Anton Scharinger
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