piwik no script img

■ Wie ich einmal Buddhist war (III): das FinaleIn die Freiheit entlassen

Was bisher geschah: In einer Bar in Berlin-Mitte hat der Ich-Erzähler eine alte Freundin und ihren Begleiter getroffen. Ennuyiert von ihrem unpersönlichen Gerede über die Unwirtlichkeit des Landes, behauptet er plötzlich, „Buddhist“ geworden zu sein. Soeben befindet er sich mitten in einer nicht schwindelfreien Suada über die Vorzüge der Arbeitslosigkeit:

Nimm zum Beispiel die Leute, die meinen, sie hätten ein Anrecht auf einen sicheren Arbeitsplatz. Wie weit sind sie denn damit gekommen? Jetzt hängen sie in der Ecke, sind fertig, maulen und geben anderen die Schuld an ihrem miesen Leben. Anstatt sich zu freuen, daß endlich mal etwas passiert, das sie aus ihrem Trott reißt, meckert die unerleuchtete Bande noch und reißt ständig den Hals auf. Die sind doch nicht mehr zu retten!

Mit unverhohlenem Ekel und Abscheu sah mich meine alte Freundin an. Du predigst hier den reinen Neoliberalismus, zischte sie, und ihre Stimme zitterte vor Wut. Selten hatte mir das Lügen soviel Spaß gemacht. Unsinn, gab ich zurück, ich weiß gar nicht, was das sein soll, Neoliberalismus. Aber was Buddhismus ist, das weiß ich: Nicht stehenbleiben! Neue Wege gehen! Geistig in Bewegung bleiben! Erkenntnis gewinnen! Raus aus dem Mustopf! Der frühe Vogel fängt den Wurm!

Ihr Blick war jetzt eher ungläubig; ich mußte zügig nachlegen. Du gehst also zu deinem Job, sagte ich, aber dein Job wurde eingespart, oder jemand anderes hat ihn, und dir sagt man: Tschüs, und kommen Sie nicht wieder. Darüber kann man sich aufregen und rumflennen und womöglich noch einen schmierigen Advokaten auftun und seine Lebenszeit damit verschwenden, Prozesse zu führen, und das alles wegen ein paar Kröten und weil man zu blöd ist, etwas Neues anzufangen. Wie unwürdig!

Und verantwortlich dafür sind diese Gewerkschaftstypen – die haben den Leuten seit 100 Jahren erzählt, es ginge um ein paar Mark auf Tasche und um ein Leben wie auf Schienen. Die haben doch die Leute kopfmäßig erledigt, die jetzt arbeitslos sind und sich nicht mal vorstellen können, was sie mit ihrer Zeit überhaupt anfangen könnten!

Langsam schaffte ich mich richtig rein in die Sache, und je angewiderter mich meine alte Freundin ansah, desto mehr Freude hatte ich; beinahe glaubte ich schon selber an das Zeug, das ich erzählte.

Du kannst aber auch, fuhr ich fort, den Spieß umdrehen: Nicht lamentieren und mit dem Finger auf die anderen zeigen, sondern kapieren, daß du selbst einen Fehler gemacht hast, und deine Lektion lernen. Wenn also dein Job weg ist, nicht stumpf „Unrecht!“ krakeelen oder „Kapitalismus!“, sondern dich verbeugen und sagen: Danke für die Befreiung vom Ballast, danke für die Möglichkeit, mich weiterzuentwickeln. Aber wer macht das schon? Von der Gewerkschaft gehirngewaschen, sind die Leute völlig fixiert auf ihr schäbiges Leben und auf den Schmutz, in dem sie sich eingerichtet haben. Wenn denen überhaupt noch einer helfen kann, dann ist das ein Job- Killer!

Und den Job würde ich gerne machen: Leute in die Freiheit entlassen. Ihnen sagen, geh doch mal spazieren, nimm das Brett vom Kopf, sieh aus dem Fenster und lern was. Entweder gehen die zugrunde, oder sie kommen richtig aus dem Quark, entdecken verschüttete Instinkte, entwickeln neue Energien, die Schiene! Ich lächelte selig.

Meine alte Freundin und ihr Begleiter standen auf und zahlten ihre Rechnung. Höflich, aber kalt verabschiedeten sie sich. Ich wußte, was sie über mich reden würden, kaum daß sie auf der Straße wären. Der Jagdschein war mir sicher. Das stimmte mich zuversichtlich: Wer Erleuchtung will, muß Opfer bringen. Wiglaf Droste

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen