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Wie hört sich der Pop von morgen an? Um das herauszufinden, ging ich zum Bandfestival des Gymnasiums OhmoorZurück in die Zukunft

Foto: privat

AM RAND

Klaus Irler

Neuerungen im Pop kommen oft aus der Provinz. Das mag daran liegen, dass das Randständige ein guter Nährboden ist für Kreativität. Die Provinz in Hamburg ist Niendorf. Niendorf ist der nördliche Stadtrand, die letzte Haltestelle vor Schleswig-Holstein, wo noch mehr Provinz wäre, aber gut. Letzte Woche gab es am Niendorfer Ohmoor-Gymnasium ein Bandfestival. Da bin ich hin, weil ich wissen wollte, was Neues auf uns zukommt.

Statt einer Reise in die Zukunft wurde es eine Reise in die Vergangenheit. Ich hörte gleich zwei Coverversionen von „Summer of 69“ von Bryan Adams (1985), ich hörte Elvis Presleys „Blue Suede Shoes“ (1956), „Zombie“ von den Cranberries (1994), und ich verpasste „Highway to Hell“ von AC/DC (1979). Ich dachte, für die Songauswahl ist in diesen Fällen sicher ein Lehrer zuständig, ein alter Sack, der wie ich in den 80ern groß wurde und seine popkulturelle Prägung nun in einer Band-AG weitergibt. Als ich einen ungefähr 16-jährigen Musiker fragte, wie seine Band auf Elvis Presley kommt, sagte der aber: „Wir mögen die alten Sachen. Elvis Presley, Beatles und so weiter finden wir gut.“ Ein Lehrer, habe mit der Songauswahl nichts zu tun.

Dass die Kids von heute alte Hits mögen, war die eine Erkenntnis. Die andere war, dass das Gitarren-Solo eine Renaissance erlebt. Ich dachte immer, das Gitarren-Solo wäre kurz vorm Aussterben. Einer der jungen Gitarristen trug beim Solieren sogar einen fingerlosen Nieten-Handschuh zur Flitze-Finger-Betonung.

Vom Ohmoor-Gymnasium stammt übrigens der Musiker Nils Frevert, ein inzwischen 48-Jähriger Singer-Songwriter, der poetische Texte schreibt und ganz weit weg ist von Gitarrensoli und Nietenhandschuhen. Frevert hat einen schönen Song über das Niendorfer Gehege geschrieben, das für seine Jugend ein Freiraum und Sehnsuchtsort gewesen sein muss. Ich vermute, das ist auch für heutige Jugendliche so. Das Niendorfer Gehege ist eine Sache, die eine Jugend in Niendorf von der auf St. Pauli unterscheidet.

Der andere berühmte Musiker, der vom Ohmoor-Gymnasium kommt, ist Kristoffer Hünecke, 38, von der Band Revolverheld, extrem erfolgreich mit pathetischem Gitarren-Pop und melancholischen Liebesliedern in deutscher Sprache. Die Band ist nichts, was die Pop-Forschung länger beschäftigen wird. Aber sie machen die großen Arenen voll, und das meine ich nicht abschätzig.

Beim Bandfestival kam dann noch „Der Nackte Jörg“, ein Ex-Gymnasiast aus Niendorf-Nord. Der Nackte Jörg hat Skills, er kann abwechslungsreich rappen, und wenn er auf der Bühne in dem Gymnasiums-Flachbau in die Höhe hüpft, haut er sich den Kopf an der Decke an. Nackt ist er, weil er sich irgendwann den Oberkörper frei macht, was ihm schlechter steht als seine Selbstironie. Der Nackte Jörg hat seine Linie noch nicht ganz gefunden. Aber er ist keine 20. Da geht noch was.

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