: Wie golden ist die Mitte?
Die politische Kühnheit des „weder-noch“ ■ M E I N U N G
Parteien blasen zur Sammlung. Terrains werden abgesteckt und Programme gehißt. Standhaft zeigt man Flagge. Also Schluß mit dem Wirrwarr? Weit gefehlt. Die meisten blasen ins gleiche Horn. Zur Unverwechselbarkeit fest entschlossen ist man sozialmarktwirtschaftlichwiedervereint orientiert. Und nicht nur das. Egal ob CDU oder DSU, LDP oder FDP, NDPD oder DFP, FVP oder DA ... man ist Mitte. Gewiß, es gibt noch unerschrockene Linksbekenner, aber der ganze „Rest“, der ist mutig Mitte.
Und das Angebot hat Züge eines schon marktwirtschaftlich bestimmten (Parteien-)Überflusses: da präsentieren sich die „liberale Mitte“ und die „linke Mitte“, die „demokratische Mitte“ und die „nationale Mitte“, die „konservative Mitte“ und die „bürgerliche Mitte“. Inmitten all dieser Mitte versucht sich die CDU - als „die Partei der Mitte“.
„Volksparteien“ allemal, rechnen sie die Wählergunst hoch und runter, und erkennen - wo sonst? - in den „Mittelschichten“, im „Mittelstand“ ihre große Chance. „Die künftige Einheit Deutschlands“, ruft man den schon schwindlig gewordenen Wählern zu, wird von der „politischen Mitte getragen“ und überhaupt werde die „Zukunft in der politischen Mitte entschieden“. Es ist wie Karussellfahren.
Und die Wahlbündnisse jener Parteien? Auch sie kreisen um die gleiche Zauberformel und preisen sich als „Allianz der Mitte“ oder „liberale Kraft der Mitte“. Bündnisse, die nicht aus politischer Zuneigung, sondern mittels Druck und Verlockungen der Schwesterparteien (West) zusammengeleimt wurden. Man tat es aus „Liberalität“ gegenüber Genscher, Mischnick, Lambsdorff oder nur aus „Respekt vor der Person Helmut Kohls“! Westliche Mitte schafft und bündelt östliche Mitte.
Dennoch, „Unzufriedenheit“ und „Unstimmigkeit“ gehen um. Die Mitte-Bündnisse laborieren an den „Mittäter-Parteien“. Man fürchtet schwere Belastungen durch die atemberaubenden Wendemanöver von LDP und CDU: vorgestern noch für den „realen Sozialismus“, gestern für den „wahren Sozialismus“ und heute gegen „allen Sozialismus“. Der Makel politischer Wanderdünen sitzt tief. Aber der Machtbeteiligungsdrang der Mitte ist zu groß, und so gibt man den Schein für Festigkeit aus.
Bei all den aufkommenden Unsicherheiten wird, auf populäre Wirkung vertrauend, nicht der erste, nicht der zweite oder dritte Weg, sondern der goldene Mittelweg propagiert. Die politische „Kühnheit“ des weder-noch gibt den Ton an. Ein Aroma von Geborgenheit soll sich vermitteln, denn die Mitte ist - bei aller Drängelei - die Mitte. Und sie bleibt die Mitte, wie auch immer - bei der Begabung zur Anpassung.
Dieter Krause
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