■ Wie die polnische Telekom ihre Kunden melkt: Abenteuer Telefon
Warschau (taz) – „Ich verrate dir mal was, was noch nicht in der Zeitung stand“, setzte mein Gesprächspartner an, als plötzlich ein markerschütterndes Brüllen einer offenbar mit Stromstößen gefolterten Kuh durch die Telefonleitung drang. Die Leitung brach zusammen. Nach mehreren vergeblichen Versuchen erfuhr ich dann zwar nicht, was mir mein Gesprächspartner mitteilen wollte, doch immerhin verriet mir ein anderer Mann, in dessen Gespräch ich gelandet war, daß diese Geräusche immer dann entstehen, wenn es regnet. Dann dringt Wasser in die Leitungen ein, führt zu Kurzschlüssen, Fehlverbindungen und eben jenem Brüllen.
Meine Schwiegermutter wurde von der polnischen Telekom auf andere Weise gequält: Sie erhielt mehrmals Rechnungen, die ihr bescheidenes Lehrerinnengehalt um ein Vielfaches überstiegen. Schließlich trennte sie für einen Monat lang feierlich die Leitung ihres Telefons durch, um ganz sicher zu gehen. Prompt erhielt sie eine Rechnung über zwei Millionen Zloty, 150 Mark. Von der russischen Mafia unterscheide sich die Telekom wohl nur noch dadurch, daß sie ihre Kunden nicht umbringe, fand sie. Falsch: Auch die russische Mafia bringt ihre Kunden nicht um, solange sie zahlen. Jetzt hat Polens Telekom noch eine Möglichkeit gefunden, ihre Kunden zu melken: Seit einem Jahr gibt's auch in Polen Handys, eingeführt von einem Joint-venture mit ausländischem Kapital. Seither sind die Schmiergelder für normale Telefone ziemlich exakt auf die Höhe der Anschaffungskosten eines Handys gestiegen. Und die sind horrend. In Deutschland kostet die Anschlußgebühr an ein Handy-Netz um die hundert Mark. In Polen um die tausend. Das Handy selbst gibt's in Deutschland ab 80 Mark – in Polen ab 2.000. In Deutschland gibt's Konkurrenz auf dem Handy-Markt. In Polen gibt's die Firma Centertel, sonst nichts; und an der hält Polens Telekom 51 Prozent. Man kann's drehen und wenden, wie man will – das Geld landet immer bei der Telekom.
Ich hab' mir trotzdem ein Handy angeschafft, denn in unserer Neubaugegend gibt's keine normalen Telefone. Die Telekom hat unserer Siedlung angeboten, Leitungen zu legen, für umgerechnet 80.000 Mark, zahlbar im voraus. Auch die Leitungskanäle sollen wir gefälligst selbst buddeln. Da ist selbst ein polnisches Handy noch billiger. Das steht jetzt im Speicher, denn nur da ist der Empfang einigermaßen. Wenn es klingelt, und ich die zwei Stockwerke hochgerast bin, meldet sich womöglich jemand, der ein Fax schicken will und auch so naiv war, Centertel zu glauben, das funktioniere.
Am Nachmittag tönt mit Vorliebe statt des Freizeichens eine Männerstimme aus dem Apparat, die mit kaum versteckter Schadenfreude mitteilt, das Netz sei leider überlastet und man solle es doch später noch mal versuchen. Ich habe es später noch mal versucht und bin in einem Gespräch zweier Hausfrauen gelandet, die sich über die Waschmaschinenpreise unterhielten. Solche Dreiergespräche haben für Telekom den Vorteil, daß sie erst beendet werden können, wenn die zwei Hausfrauen auflegen. Dazu auffordern kann man sie aber nicht, denn sie können die dritte Partei nicht hören. Und so rennt der Gebührenzähler und rennt und rennt. Bevor mein Gespräch abbrach, verkündete eine der Hausfrauen noch ihr Credo in puncto Telefonstörungen: Der Regen sei's, er überschwemme die Leitungen ... Ich sah aus dem Fenster, und tatsächlich, es regnete in Strömen. Nur eins verstand ich nicht: Ich war mit meinem Handy in das Gespräch geraten. Wasser kann Leitungen überschwemmen, aber Radiowellen? Klaus Bachmann
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