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■ Wie böse waren die berühmtesten „Bad Girls“ des Wilden Westens eigentlich wirklich?Pistolen, Petticoats und die anderen Waffen der Frauen

Osnabrück (taz) – So häufig wie lange nicht mehr ließen die drei Hollywoodstudios im abgelaufenen Produktionsjahr Pferde zäumen, Chaparejos schneidern und Lassos flechten. Der Western – ein Genre, das beinahe so alt ist wie das Kino selbst – hat wieder einmal Hochkonjunktur und bietet sich dem Publikum derzeit in vielerlei Spielarten an.

Neben den harten Jungs schwingen sich des öfteren wehrhafte „Bad Girls“ in den Sattel – kein grundlegend neues Phänomen allerdings: schon früher ritten unter anderem „The Gal Who Took the West“ (1949), „The Woman They Almost Lynched“ (1953), „The Maverick Queen“ (1956) und „The Dalton Girls“ (1957) über die Leinwand. Wiederholt widmete sich Hollywood historischen Frauenfiguren wie Belle Starr, Calamity Jane oder Annie Oakley.

Nicht alle der im Film meist mythologisierten Heldinnen waren wirklich Bräute der Prärie. Annie Oakley (1860-1926) beispielsweise, Vorbild für die Hauptfigur des Musicals „Annie Get Your Gun“, stammte aus Ohio und legte sich ihr Westernimage zu, als sie 1885 zu Buffalo Bills Wildwest- Show stieß. Ihr spektakuläres Wirken als Kunstschützin machte sie weithin populär, sie wurde sogar Titelheldin einer Comic-Reihe und setzte später ihre Karriere am Theater fort.

Von ganz anderem Kaliber war Belle Starr (1848-1889). Myra Belle Shirley wuchs während der blutigen Grenzkriege in Missouri auf. Von hier stammte auch der berüchtigte Bandit Cole Younger, mit dem Belle eine Liaison unterhielt. Vermutlich war Younger der Vater von Belles Tochter Pearl. Ein zweites Kind, Edward, hatte sie mit dem Outlaw Jim Reed, der bedauerlicherweise einem Berufsunfall zum Opfer fiel. Nach Reeds Tod gründete Belle ihre eigene Bande und tat sich mit dem Cherokee Sam Starr zusammen, dessen Nachname sie fortan führte, obwohl sie sich weiterhin wechselnde Liebhaber hielt. 1883 wurden Sam und Belle Starr wegen Pferdediebstahl zu einem Jahr Gefängnis verurteilt, nahmen ihr Gewerbe aber unmittelbar nach der Entlassung wieder auf.

Fünf Jahre später starb Belle Starr durch die Kugel eines unbekannten Attentäters. Schon die zeitgenössischen Sensationsblätter und Groschenromane widmeten sich ausführlich dem abenteuerlichen Leben dieser schillernden „bandit queen“: Kino- und Fernsehfilm trugen ein übriges zur Legendenbildung bei.

Selbst während ihrer Streif- und Beutezüge hielt Belle Starr auf ein feminines Äußeres und trug Federhut nebst Seidenrock. Calamity Jane (1852-1903) hingegen bevorzugte die praktischere Wildlederkleidung der Männer. Bereits zu ihren Lebzeiten machte ein cleverer Autor Jane zur Heldin einer Romanreihe. In reiferem Alter trat sie als „Calamity Jane, the Famous Woman Scout of the Wild West“ in Theaterstücken auf. In Bezug auf ihren Lebenslauf sind Fiktion und Tatsachen kaum mehr zweifelsfrei zu entwirren.

Daß die trinkfeste Westernlady bürgerlich Martha Jane Cannary hieß, ist bekannt, ihr Geburtsort jedoch ebenso ungewiß wie die Herkunft ihres Spitznamens. Ihre in Filmen und Romanen geschilderte Liebesaffäre mit Wild Bill Hickok gilt als wenig wahrscheinlich. Vater ihrer Tochter jedenfalls war, soweit bekannt, ein gewisser Clinton Burke. Auch daß Jane als Scout für die Armee gearbeitet hat, steht stark in Frage. Möglicherweise zog sie zeitweise als Prostituierte durch die Soldatencamps und Goldgräberlager.

Manch andere Dame des horizontalen Gewerbes erlangte gleichfalls gewisse Berühmtheit. Kate Elder, genannt Bignose Kate, steht bis heute im Schatten ihres ständigen Begleiters Doc Holliday, der in die legendäre Schießerei am O.K. Corral verwickelt war. Doch ihr erging es besser als der geschäftstüchtigen Ella Watson (1862-1888), der Michael Cimino in „Heaven's Gate“ ein filmisches Denkmal setzte. Watson akzeptierte auch Rinder als Bezahlung für ihre Dienste, was ihr den Spitznamen „Cattle Kate“ eintrug. Dummerweise waren die meisten Vierbeiner gestohlen, und so endete Kate nicht als Viehbaronin, sondern wurde von aufgebrachten Großgrundbesitzern gelyncht.

Westernshows und Bühneninszenierungen, phantasievoll ausgeschmückte Presseberichte und Trivialromane haben, ebenso wie später die Hollywood-Filme, den „Wilden Westen“ romantisiert, fragwürdige Gestalten zu Helden stilisiert und den Alltag der Pioniere beschönigt. Einzelne Filme wie Robert Altmans „Buffalo Bill und die Indianer“ oder jüngst Lawrence Kasdans „Wyatt Earp“ bemühen sich ansatzweise um eine Revision dermaßen verfälschender Darstellungen.

Was die Frauen jener Ära angeht, so gäbe es auch abseits vom „Pistolen und Petticoats“-Klischee noch viele Geschichten zu erzählen. Von verwegenen Revolverladies ebenso wie von echten „cowgirls“, die, wenig glamourös, in der zeittypischen, ebenso züchtigen wie umständlichen Garderobe der strapaziösen Arbeit auf den Farmen nachgingen und dabei den männlichen Kollegen in nichts nachstanden. Harald Keller

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