: Wie beim Alten Fritz!
betr.: „Maulkorb für Lehrer“, taz vom 8. 6. 05
Die Empörung über Schulsenator Bögers Maulkorberlass seitens der taz ist sicherlich verständlich, berechtigt und absolut korrekt: Zu Recht wird gesagt, dass eine demokratische Öffentlichkeit über die Misere im Berliner Schulwesen auch aus Sicht der betroffenen Lehrerschaft unterrichtet werden muss und die Schullandschaft nicht nur geschminkt durch die Brille eines absolutistisch agierenden Senators gezeigt werden sollte; und sicherlich ist es auch ein Widerspruch, dass diejenigen, die laut Schulverfassung zu demokratischem Denken und Handeln erziehen sollten, ihrem Dienstherrn gegenüber durch einen derartigen Maulkorb als faktisch Entmündigte erscheinen müssen. Mit diesen Widersprüchen tagtäglich zu arbeiten, fällt schwer.
Aber andererseits ist es an der Zeit, ein derartiges Politikverständnis innerhalb der Sozialdemokratie als gängiges Politikmodell zu verstehen, es sind keine Eigenarten des störrischen Klaus Böger: Der Kanzler hat die letzte Regierungsperiode seine eigene Partei nach demselben feudalen Prinzip gegängelt: Schnauze halten zu allem, was die Mehrheit gefährden konnte, und alle Schandtaten mitmachen (z. B. Agenda 2010). Und keiner hat groß aufgemuckt! So denkt nun auch der Schulsenator. Nur der überträgt das auf seine Untergebenen.
Die taz sollte sich, wie bei anderen Erlassen und Gesetzen, mal fragen, was denn in einer Verwaltung bzw. in einer Behörde los sein muss, in der der oberste Dienstherr mit solchen Erlassen regiert! Die Unfähigkeit soll hier mit dem Maulkorb vertuscht werden. Dass die Schulverwaltung mit dem neuen Schulgesetz nicht gerade den demokratischen Prozess und die Initiativen fördert, zeigt auch ihr Misstrauen gegenüber den Lehrerkollegien, wenn es um die Besetzung der Schulleiterpositionen geht: Nach altem Gesetz wurden die SchulleiterInnen aus der Mitte des Kollegiums gewählt: Seit Rot-Rot bestimmt der Schulsenator den Schulleiter. Die Kollegien können zusammen mit den Eltern und Schülern nur noch vorschlagen.
Wie wenig der Senatsschulverwaltung an einem reibungslosen Unterricht gelegen ist, verdeutlicht eine von ihr selbst ins Netz gestellte Statistik zur Lehrerausstattung an den beruflichen Schulen Berlins (http://www.senbjs.berlin.de/bildung/bildungsstatistik/unterrichtsversorgung/thema_unterrichtsversorgung.asp): Dort sind mehr als 25 Oberstufenzentren Berlins mit einer Lehrerausstattung von weniger als 100 % aufgelistet. Teilweise ist die Lehrerausstattung geringer als 90 %! Die dort aufgeführten Zahlen sind ein Skandal erster Ordnung, nur niemanden interessiert das noch!
GERD KERBER, Lehrer an einem Oberstufenzentrum
Ich bin empört über Bögers Maulkorberlass für Schulleiter und Lehrer. Während der Senat auf der einen Seite den Beamtenstatus durch einseitig dekretierte Kürzungen von Einkommen und Altersversorgung aufweicht, sollen Lehrer nach wie vor bloße Befehlsempfänger sein – wie beim Alten Fritz ! Wo bleibt der Aufschrei der GEW gegen diesen Angriff auf die Meinungsfreiheit? SIGMUND KEIDITZSCH
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