FINDERLOHN VERACHTUNG : Wie angebrüllt
Ich hatte Feuerzeugbenzin und Blättchen gekauft und die Frau vom Tabakgeschäft gefragt, ob Zigarettenetuis demnächst auch verboten werden würden. Davon sei ihr nichts bekannt, sagte sie. Ich freute mich darüber, dass die Blättchen von Gizeh seit Kurzem einen Magnetverschluss haben und sehr luxuriös wirken. Als ich die Markthalle verließ, sah ich auf dem Boden im Eingangsbereich eine alte schwarze Brieftasche liegen.
Kurz guckte ich, ob keiner guckt, und hob sie dann auf. Ein Schein lugte aus der Brieftasche. Sollte ich sie abgeben? – Klar! Ich steckte sie ein, um sie später ungestört untersuchen zu können. Mit klopfendem Herzen fuhr ich nach Haus. Meine Gefühle waren ambivalent; einerseits brauchte ich Geld, der Fund war ein Glücksfall; andererseits würde sich der Brieftaschenbesitzer freuen, wenn er die Brieftasche zurückbekäme. Vielleicht würde er mir Finderlohn geben und dann würden wir uns anfreunden. In der Wohnung guckte ich mir die Brieftasche genauer an. Bis auf den Schein war sie leer, und das, was ich für einen Schein gehalten hatte, war nur die einseitige Kopie eines Scheins, auf dessen Rückseite „du dummes Arschloch!“ stand.
Ich fühlte mich, als hätte mich jemand angebrüllt, und stellte mir voller Schrecken vor, wie mich der Du-dummes-Arschloch-Schreiber triumphierend und verachtend beobachtet hatte. In den nächsten Tagen würde ich nicht mehr in die Markthalle gehen. Gleichzeitig war ich auch ein bisschen erleichtert und dachte an das Buch „Kalle Blomquist lebt gefährlich“. Es war mein erstes Buch gewesen. Ich hatte es sehr gruselig gefunden. In einer Szene legen Kinder eine mit einem Bindfaden befestigte Brieftasche auf den Gehweg, verstecken sich hinter einem Busch und ziehen die Brieftasche weg, wenn Passanten sie aufheben wollen. „Dummes Arschloch“ war aber in Erwachsenenschrift geschrieben. DETLEF KUHLBRODT