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Archiv-Artikel

Wie Tennis und Squash, aber weicher

EXOTISCH In Spanien und Südamerika ist Padel-Tennis Volkssport. Dank spanischen Migranten wächst nun auch in Berlin die Nachfrage

Padeln in Berlin

■ Am Ostkreuz gibt es zwei Plätze von Padel Berlin. Gäste zahlen zwischen 6 und 8 Euro je Stunde. Die Mitgliedschaft kostet 39 Euro monatlich. www.padelberlin.de

■ Der Padel Club Berlin International in Johannisthal bietet eine kostenlose Schnupperstunde an. Der Beitrag für Mitglieder beträgt ebenfalls 39 Euro monatlich oder 350 Euro im Jahr. Gäste zahlen für einen Court zwischen 20 und 24 Euro je Stunde. www.padelclubberlin.de

■ Schläger und Bälle können an beiden Anlagen geliehen werden. Anfänger können auch Trainerstunden buchen.

■ Unter www.padelliga.de gibt es Informationen zur ersten Berliner Padelliga, in der Spieler jeder Spielstärke starten.

VON MORITZ FÖRSTER

„Joder!“, fluchen die einen, „Bueníssimo!“, jubeln die anderen. Die einen spielen sich also gerade großen Scheiß zusammen, während die Vor- und Rückhände bei den anderen bestens sitzen. Sieben Spanier und ein Deutscher beackern die beiden Padel-Tennis-Plätze in der Nähe des S-Bahnhofs Ostkreuz – sie tragen zwei Doppel aus. Während sich die Paarungen die gelben Filzbälle um die Ohren jagen, rauscht alle paar Minuten eine S-Bahn vorbei.

Padel-Tennis? Wenn Sie von dieser Sportart bislang noch nichts gehört haben, liegt das daran, dass sie in Deutschland noch in den Kinderschuhen steckt. Beim Padel-Tennis stehen sich Doppelpaarungen gegenüber, wie beim Tennis durch ein Netz getrennt. Eine Wand oder ein Plexiglas umrandet das Spielfeld. Wie beim Squash dürfen die Bälle, nachdem sie auf dem Boden aufgetickt sind, noch gegen die Wand prallen, bevor sie zurückgespielt werden. Selbst starke Schmetterbälle returniert das gegnerische Team daher häufig, indem es diese erst von der Rückwand abprallen lässt. Mit etwas Pech entwickelt sich so aus einem eigenen Angriffsschlag plötzlich eine Steilvorlage für den Gegner. Gezählt wird wie beim Tennis, aufschlagen müssen die Spieler allerdings von unten.

Alexander Hillbricht, der Betreiber der Anlage nahe dem Ostkreuz, hält den Ballsport mit den sogenannten Padeln (die ähnlich wie die Beachtennis-Schläger aussehen, aber aus Kunststoff oder Kohlefasern sind) für spektakulärer als den gängigen Tennissport: „Beim Padel-Tennis kommen längere Ballwechsel und mehr unterschiedliche Spielsituationen als in anderen Rückschlagsportarten zustande, das Spiel ist insgesamt etwas komplexer, da man im gesamten Raum denken muss.“

Führende „Padel-Stadt“

Berlin hat sich – auch dank der spanischen und südamerikanischen Community – zur führenden deutschen „Padel-Stadt“ entwickelt. Gerade für spanische Neuberliner ist der Padel-Tennisplatz ein wichtiger Anlaufpunkt, denn in ihrer Heimat ist der Sport sehr populär.

Inzwischen entdecken auch deutsche Hauptstädter zunehmend ihr Faible für die Rückschlagsportart. Die Unterschiede zum Squash: Es wird in Deutschland ausschließlich Doppel gespielt, und der Ball ist weicher, das Spiel dadurch langsamer – es ist weniger anstrengend als Squash.

Hillbricht, der in Valencia in einer Tennis-Akademie trainierte und dort auch Padel-Tennis entdeckte, steht an diesem Montagabend mit drei Spaniern auf dem Platz.

Seine Mitstreiter Angel Alarcos, Emilio Munoz und Luis Muniesa haben jahrelang in Saragossa und Madrid Padel-Tennis gespielt. In ihrer Heimat hat jeder Stadtteil, jede Wohnsiedlung eine eigene Anlage. Padel-Tennis ist dort Volkssport.

Erstmals gespielt wurde der Sport in den 60er Jahren von Enrique Corcuera in Mexiko. Von dort breitete er sich über Südamerika nach Spanien aus. „Das Schöne daran ist, dass, anders als zum Beispiel beim Tennis, auch bei Anfängern sofort Ballwechsel zustande kommen“, erklärt Angel Alarcos. Mütter und Väter spielen in Spanien mit ihren Kindern, Freunde treffen sich am Nachmittag zum gemeinsamen Padeln und die Top-Spieler messen sich auf Turnieren oder in Ligaspielen.

Alarcos zog nach seinem Wirtschaftsstudium vor zwei Jahren nach Berlin und ist noch auf Jobsuche. „Man baut sich beim Padel-Tennis ein Netzwerk auf und findet neue Freunde“, erklärt der 28-Jährige in fließendem Deutsch. So gut Deutsch lernen möchte auch der 19-jährige Emilio Munoz, der für einen Sprachkurs nach Berlin kam. Das Einzige, was ihn davon abhält: Munoz, der in einem Monat nach Spanien zurückkehrt und dort Informatik studiert, padelt am liebsten jeden Tag. Und dabei spricht er meistens Spanisch – wohl auch ein Grund, dass sich der Dritte im Bunde, Luis Muniesa, der seit neun Monaten in der spanischen Botschaft arbeitet, noch schwertut mit der deutschen Sprache.

„Das Schöne ist, dass auch bei Anfängern sofort Ballwechsel zustande kommen.“

Angel Alarcos

Zur Integration

Für die Integration der Neu-Berliner spielt der Sport dennoch eine wichtige Rolle. Sebastian Braun, Sportsoziologe an der Humboldt-Universität, spricht etwa von einem „besonderen Vergemeinschaftungs- und Vergesellschaftungspotenzial“, das die Klubs böten. Umstritten ist in der Wissenschaft allerdings, ob dieser Effekt für Migrantensportgruppen gleichermaßen zutrifft. Die einen befürchten, dass Parallelgesellschaften entstehen. Andere weisen darauf hin, dass sich Migranten in diesen Gruppen aktiv organisieren und ihr soziales Leben in einer für sie neuen Gesellschaft eigenverantwortlich gestalten.

Dass die große spanische Gemeinschaft in Berlin den Markteintritt für Padel-Tennis erleichtert hat, hält Alexander Hillbricht unterdessen für sehr wahrscheinlich – schließlich komme der neue Sport in anderen Regionen längst nicht so gut an wie in der Hauptstadt. Während in Berlin rund 13.200 spanische Staatsbürger wohnen, sind es in Hamburg gut 5.500 und in München rund 7.300. Allein 2012 kamen 3.326 spanische Staatsbürger nach Berlin.

Im Sommer 2012 hat Hillbricht seine beiden Plätze eröffnet, bereits kurz nach der Winterpause schrieb der gelernte Steuerfachmann schwarze Zahlen. Inzwischen hat „Padel Berlin“ – so der Name des Klubs – über 150 Mitglieder. An diesen Trend anknüpfen möchte auch der Padel Club Berlin International, der zweite Verein an der Spree, den es seit vergangenem September gibt und der in Johannisthal beheimatet ist.

Am Ostkreuz ist es unterdessen dunkel geworden. Noch immer zischt der Ball hin und her, inzwischen unter Flutlicht. Kurz vor Spielende hechtet Munoz noch mal verzweifelt einem Ball hinterher. „Vamos! Vamos!“, ruft ihm sein deutscher Doppelpartner Hillbricht lautstark zu. Er hat die Sprache auf dem Court inzwischen gut drauf.