■ Wie Roman Herzogs Kinder zu guten Staatsbürgern wurden: Unverkrampft zugelangt
Nee, was ist er doch für eine sympathische kleine Plaudertasche, unser neuer Bundespräsident! Immer frisch von der Leber weg, wie es gerade so kommt in den runden Schädel. Und was so einem Mann alles einfällt, wenn drei Journalisten ihm ein Mikrofon hinhalten und den Extrakt dann hinterher zum Buch erklären: „Roman Herzog, Der neue Bundespräsident im Gespräch“. Da lernt man fürs Leben.
So richtig hilfreich wird das Büchlein, wenn der Landesvater sein pädagogisches Erfolgsgeheimnis als Vater „meiner Söhne Markus und Hans Georg“ lüftet, denn die sind heute immerhin rechtschaffene Bürger. Ein Kind, davon ist der stolze Vater auch aus dreißigjähriger Distanz noch heute überzeugt, gehört an die lange Leine, „und wenn der darüber hinauswill, dann muß maneinen Ruck geben, daß er auf die Schnauze fällt“.
Herzogsgut wie er nun mal ist, hat unser neuer Präsident selbstverständlich bei der Kindererziehung – ganz unverkrampft – „zugelangt“, weil's „auch mal notwendig war“. Da wollte doch der Älteste, gerade neun Monate alt und folglich weder des Sprechens noch des Lesens mächtig, nicht einsehen, daß die menschliche Anatomie – rein physikalisch – dem Gewicht einer Stehlampe nicht genug Widerstandskraft entgegensetzen kann. Dabei hatte der Vater dem neunmonatigen Windelträger doch gerade erklärt: „Wenn die Lampe auf die Füße fällt, sind die Knochen kaputt.“ Ja, „da mußte er natürlich eins hinter die Löffel kriegen“. Ein anderes Mal wollte Sohnemann partout nicht begreifen, daß man einem kleinen Bruder nicht den Teppich unter den Füßen wegziehen darf. Und das, obwohl der Vater, schließlich Professor für öffentliches Recht, ihm dreimal klargemacht hatte, „daß das inhuman ist und gegen die Menschenrechte verstößt“. Pure Bosheit oder Grundrechts-Ignoranz: die Drohung hat den Fünfjährigen „nicht beeindruckt“. Da setzte es natürlich was! O-Ton Herzog 1994: „Was soll man denn sonst machen?“
Wer kennt es nicht, das pädagogische Credo ganzer Generationen: „Gelobt sei, was hart macht.“ Also verabschiedet sich das Ehepaar Herzog vor einer Asienreise mit den aufmunternden Worten von seinen Kindern: „Wenn irgendwas passiert, hier liegt das Testament.“ Ja, auf solche Sätze ist man stolz, so stolz, daß man sie auch dreißig Jahre später noch gern der Öffentlichkeit zukommen läßt. Wir aber sind stolz auf einen Bundespräsidenten, der uns nach all dem Gerede von Ächtung der Prügelstrafe und anderem pädagogischen Schnickschnack so richtig aus dem Herzen spricht. Steffen Heitmann hätte das nur halb so gut gebracht. Vera Gaserow
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