Wie Neonazis um erlebnisorientierte Jugendliche werben : Hinter weißen Masken
Weiße Masken, bengalisches Feuer und spontane Aufmärsche: Immer öfter werden in der rechtsextremen Szene zwischen Freien Kameradschaften und Autonomen Nationalisten neue Aktionsformen ausprobiert. „Im Norden, wie bundesweit, suchen Neonazis nach neuen Ausdrucksformen, ohne sich von ihrem traditionellen Szenehabitus einengen zu lassen“, erklärt das Mobile Beratungsteam Hamburg (MBT).
Am späten Abend des 3. Juni etwa liefen „Nationale Sozialisten“ in Hannover so auf. Die Idee stammt von den „Unsterblichen“: Am Abend des 1. Mai waren Freie Nationalisten unter dieser Selbstbezeichnung im sächsischen Bautzen aufmarschiert. Mehr als 100 maskierte Kameraden trugen Fackeln, warfen Böller und riefen: „Der Staat ist am Ende. Wir sind die Wende“.
„Es geht um die Inszenierung“, sagt eine MBT-Mitarbeiterin über derlei Vorgehensweisen. Nicht „die Masse“ solle angesprochen werden, sondern militante Anhänger und nicht zuletzt erlebnisorientierte Jugendliche. Mit den spektakulären Aktionen werde „ein kollektiver Habitus und eine emotionale Identifikation in neuer Form geschaffen und angeboten“. Längst nutzten die Neonazis zur Selbstdarstellung auch das Internet.
Ein Video der Bautzener Aktion wurde alleine auf Youtube bislang rund 25.000-mal angeklickt. Auch die hannoverschen Kameraden stellten eines online. Die Videos, oder zumindest Links – im Szenejargon „Verweise“ –, finden sich auf einschlägigen Portalen in Schleswig-Holstein, Niedersachsen, Mecklenburg-Vorpommern und Hamburg.
Nach Ansicht des Hamburger NPD-Kaders und Kameradschaftsanführers Thomas Wulff kommen die „Leute heute wesentlich unpolitischer“ in die Szene. „Diese Pop-Aktionen mit ihrem rebellische Habitus“, sagt die MBT-Mitarbeiterin, „scheint verstärkt Jugendliche anzusprechen, die sich diffus gegen das System stellen wollen.“Hinweis: ANDREAS SPEIT arbeitet als freier Journalist und Autor über die rechte Szene nicht nur in Norddeutschland