Wie Brauchtumsfeste an die NS-ideologie anknüpfen: Weihnachten bei Nazis
In der Vorweihnachtszeit pflegt die rechtsextreme Szene in der niedersächsischen Gemeinde Eschede die Wintersonnenwende zu feiern. Auch dieses Jahr hat Joachim Nahtz auf seinen etwas heruntergekommen Bauernhof geladen. Unter dem Motto „Weihnachtswichtel zum Winteranfang“ werden am Samstag Mitglieder der NPD und Anhänger der Kameradschaften erwartet.
„Der Hof ist – trotz des Zustandes – das Zentrum der Szene über Niedersachsen hinaus“, sagt Kirsten Dieckmann vom Celler Forum gegen Gewalt und Rechtsextremismus. Seit Jahren richten verschiedene Initiativen Aktionen aus, um gegen die regelmäßigen Sonnwend- und Erntedankfeste, Konzerte und Schulungen auf dem Gehöft von Nahtz zu protestieren.
Nahtz betont zwar gern, seine Brauchtumsfeste seien privat. Die Feiern dienten aber vielmehr „der ideologischen Schulung, der Selbstlegitimation und der Netzwerkbildung“, sagte Jens-Christian Wagner, Geschäftsführer der Stiftung niedersächsische Gedenkstätten, bereits Anfang 2016 auf einer Kundgebung. „Sie bereiten den Boden für ein gesellschaftliches Klima der zunehmenden Feindlichkeit gegenüber vermeintlich Fremden, das die Neonazis zu stärken und zugleich für sich zu nutzen versuchen.“ Mit den Sonnenwendfeiern knüpten die Neonazis und ihre Gäste bewusst an die Tradition der NS-Zeit mit ihrer völkischen Ideologie an, sagte Wagner. Und das keine 25 Kilometer von dem ehemaligen Konzentrationslager Bergen-Belsen entfernt, wo mindestens 52.000 Menschen starben.
Als es im August 2014 auf dem Nahtz-Hof brannte, hofften die Demonstranten, es wäre vorbei. Dann aber kamen monatelang Kameraden zur „Brandopferhilfe“, unterstützt von NPD-Mann Manfred Börm. Bei der nächsten Wintersonnenwende feierten rund 50 Neonazis den Abschluss der Aufräumarbeiten.
arbeitet als freier Journalist und Autor über die rechte Szene nicht nur in Norddeutschland
Kleine Erfolge gibt es aber: Nahtz musste Gelände abgeben, das er gepachtet hatte. Am Samstag findet wieder eine Gegenaktion statt, sagt Dieckmann. „Wir halten den Druck und wir lassen nicht nach.“
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