■ Widerstand gegen das Haager Kriegsverbrechertribunal: Karadžić muß verhaftet werden
Nach allen bisherigen Kriegen in der Geschichte der Menschheit haben allein die Sieger Recht gesprochen. Die Verlierer dagegen wurden wegen ihrer Untaten streng bestraft. Über die eigenen Verbrechen sprachen die Sieger in der Regel nicht. Oder sie verklärten sie zu Heldentaten. Den Verlierern blieb nur übrig, sich vorerst zu fügen. Der nächste Krieg war dann schon programmiert. Im Kontrast dazu steht der löbliche Versuch der Vereinten Nationen, im ehemaligen Jugoslawien den Kreislauf der Gewalt zu durchbrechen. Nicht Sieger sitzen zu Gericht, sondern die internationale Gemeinschaft in Gestalt des Tribunals. Kriegsverbrechen aller Kriegsparteien sollen im Namen einer allgemeingültigen Rechtsnorm verurteilt werden. Das Tribunal in Den Haag markiert dem Anspruch nach einen zivilisatorischen Fortschritt.
Angesichts der unterschiedlichen politischen Interessen ausländischer Mächte auf dem Balkan stößt das Gericht jedoch auf Widerstände. Warum werden Karadžić und Mladić, die unbestrittenen Hauptverantwortlichen am Völkermord, nicht verhaftet, obwohl deren Aufenthaltsort jederzeit leicht festzustellen ist? Der Rückzug vieler europäischer Politiker auf den Standpunkt, die internationalen Streitkräfte hätten nicht das Mandat, diese Leute zu verhaften, zieht nicht. Wäre der politische Wille da, könnte dieses Recht geschaffen werden. Und überhaupt: Warum bezahlen die Europäer und die Deutschen nicht einmal ihren Beitrag für die Arbeit des Gerichts?
Immerhin ist jetzt von den US-Vertretern eine härtere Gangart zur Verhaftung der Kriegsverbrecher angedeutet worden. Der Druck auf Kroatien und Serbien im Falle des Kroaten Blaskić und der beiden serbischen Zeugen der Greuel von Srebrenica läßt darauf schließen. Doch auch die Amerikaner bleiben vage bei der Kritik der ideologischen Grundlagen der Verbrechen, der Schaffung ethnisch reiner Gesellschaften. Solange also die europäische und internationale Politik die von den Kriegsverbrechern und Ideologen des Völkermordes geschaffenen Machtstrukturen akzeptiert, muß das Gericht mit Gegendruck, mit der Einschüchterung von Zeugen und anderen Manipulationen rechnen. Mit der Verurteilung der ersten Kriegsverbrecher kann jedoch eine Dynamik entfaltet werden, die den Ideologen des Hasses Schranken setzt. Und auch deren Sympathisanten in den internationalen Organisationen. Das wäre immerhin schon ein Fortschritt. Erich Rathfelder, Split
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