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What's hot, what's notDer Unvollendete

■ Wie steht es um Stanley Kubricks neuen Film? Geschmack – eher außerhalb von Hollywood

Stanley Kubrick wird hiermit zu dem Erlebnisei des Filmbusineß erklärt. Selbst die Simpsons verehren ihn so, daß sie ihn zitieren. In „The Simpsons Halloween Special“ beispielsweise treiben die Abwesenheit von Bier und Fernsehapparat Homer Simpson in seinem einsamen Berghotel an den Rand des Wahns, und im „Bad Dream House“ ziehen die Simpsons in ein Geisterhaus, das mit blutenden Wänden ausgestattet und von einem todbringenden, weil der Ruhe beraubten indianischen Friedhof vorbildlich umgeben ist. Weiß Stanley das? Und wenn ja, würde es ihn kümmern?

Man stelle sich das vor: Da sitzt Stanley Kubrick auf seinem Landgut bei London und fummelt an seinem Film „Eyes Wide Shut“ herum wie eine Klöpplerin, deren Spitze der Verhüllung des Reichstags genügen muß. Seit Ende 1996 laufen die Dreharbeiten zu „Eyes Wide Shut“ und sollen Variety zufolge mit Erscheinen dieses Textes beendet sein, was hier niemand glauben mag. Tom Cruise und Nicole Kidman spielen die Hauptrollen, womöglich – so hört man – sogar nackt, wenigstens ausschnittweise, denn Kubricks neuer Film handelt von Eifersucht und sexuellen Obsessionen. Mit von der Partie sind noch Jennifer Jason Leigh und Sydney Pollack.

Wenn auch für Kubrick wieder kein Oscar drinsein sollte („Spartacus“ war zwar Kubricks erster Kinohit, doch „2001: Odyssee im Weltraum“ der Film, für den Kubrick seinen einzigen Oscar erhielt), so bekommt vielleicht Nicole Kidman einen – für die beste männliche Hauptrolle. Das war böse von mir! Gut und vielversprechend scheint hingegen, daß Kubrick als literarische Quelle für „Eyes Wide Shut“ die Rechte an Arthur Schnitzlers 1926 geschriebener „Traumnovelle“ erworben hat. Die Handlung wurde indes ins New York der Gegenwart verlegt.

„Eyes Wide Shut“ ist bekanntlich nicht Kubricks erstes literarisch inspiriertes Projekt. Im Jahre 1956 – lange bevor Kubrick „Lolita“ verfilmte – entwickelte er zusammen mit dem Schriftsteller Calder Willingham ein Drehbuch, das auf Stefan Zweigs Novelle „Brennendes Geheimnis“ basierte. Der Film wurde nie gedreht. In den sechziger Jahren hegte Kubrick den Plan, das Leben Napoleons zu verfilmen, ein Projekt, das von vornherein an den unerhörten Kosten scheiterte und ebenfalls in den Olymp unvollendeter Kubrick-Werke einging. Seither werden die Pausen zwischen den Filmen immer muffiger. Vielleicht ist es ja so, daß Kubrick die ganze Erdbevölkerung für die Kleinlichkeit einiger mißratener Exemplare bestraft? Ein Genie ist auch nur ein Mensch. Achtung, Leser – Bildung: „Das Werden der Seele tut weh“ (Rilke). Den Schmerz sollte man aus hygienischen Gründen besser weitergeben. Gerüchte darüber, daß Kubrick selbst ein Doktor Seltsam sei, nur daß er die Bombe in sich trage, kursieren zuhauf.

„Eyes Wide Shut“ ist nicht der einzige Film, an dem Old Stan gegenwärtig arbeitet. Seit Jahren laufen auf seiner Ponderosa die Vorbereitungen zu „AI“ („Artificial Intelligence“), einem Science-fiction-Projekt, welches so komplex und anspruchsvoll sein soll, daß es Anfang der neunziger Jahre vom Regisseur zunächst einmal auf Eis gelegt wurde: Die Kubrick vorschwebenden Special Effects konnten mit der damaligen Technologie nicht realisiert werden. Erst „Jurassic Park“ versöhnte Kubrick mit den Neuerer- Leistungen der Trickabteilungen, was dazu führte, daß der Mann die Pläne zu „AI“ wieder hervorgekramt hat.

Summa summarum: Kubrick ist also ein seriöser Urbarmacher und keiner, der seine Ideen frühreif dem Publikum zum Fraß vorwirft. Das Unvollendete ist dem ehrwürdigen Spielleiter quasi Weg zu höchster Vollendung. Inzwischen sieht er übrigens aus wie Rasputin. Womit ich wieder bei der Literatur wäre und da eine kleine Idee hätte... He, Stan, bitte melde dich! Anke Westphal

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