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Archiv-Artikel

Wetten, das Monopol bleibt?

Karlsruhe fordert den Staat auf, mehr für die Suchtprävention zu tun, sonst muss er private Wettanbieter zulassen

Die Werbung von Oddset darf sich nicht an potenzielle Neuspielerund Jugendliche richtenEine Liberalisierung der Glücksspielmärkte müsste für Sport und Kulturkein Nachteil sein

AUS KARLSRUHE CHRISTIAN RATH

Schießt Ailton den HSV jetzt zur Meisterschaft? Kann Köln seine Heim- und Auswärtsschwäche doch noch überwinden? Spannende Fragen, die man noch spannender machen kann, wenn man mit Geld auf das Ergebnis wettet. Eigentlich darf nur der Staat solche Sportwetten anbieten. Doch es geht um einen stark wachsenden Markt, an dem auch private Anbieter teilhaben wollen. Nach Branchenangaben werden derzeit in Deutschland 1,5 Milliarden Euro verwettet, ein Potenzial von fünf bis sechs Milliarden Euro scheint möglich.

Das Bundesverfassungsgericht hat das staatliche Monopol jetzt in Frage gestellt. Nur wenn es gezielt zur Bekämpfung der Spielsucht genutzt wird, kann das Monopol bestehen bleiben. Andernfalls muss der Staat auch private Wettanbieter zulassen. Bis Ende 2007 muss sich der Staat entscheiden. Solange das Monopol aber besteht, muss der Staat zugleich aktiv gegen die Spielsucht eintreten. Diese Pflicht gilt für den staatlichen Anbieter Oddset bereits während dieser Übergangszeit, also ab sofort.

Konkret heißt das: Die Werbung von Oddset muss zurückhaltender werden und darf sich insbesondere nicht an potenzielle Neuspieler und Jugendliche richten. Spielsüchtige müssen eine Möglichkeit bekommen, sich sperren zu lassen. Die Kontrolle über den Wettbetrieb darf künftig nicht mehr beim jeweiligen Finanzminister liegen. Möglich ist zum Beispiel eine Verlagerung auf das Gesundheitsministerium.

„Wir müssen nachbessern“, sagte gestern der bayerische Innenstaatssekretär Georg Schmid (CSU), „und wir werden auch nachbessern.“ Für Schmid ist die Sache klar. „Ich halte eine Liberalisierung für den völlig falschen Ansatz.“ Bayern will also am Staatsmonopol für Sportwetten festhalten. Theoretisch denkbar ist allerdings, dass die Bundesländer sich unterschiedlich entscheiden. Dann gäbe es in Bayern nur staatliche Oddset-Wetten, während in Nordrhein-Westfalen auch private Anbieter zum Zug kämen. Sehr wahrscheinlich ist das nicht. Bisher haben sich die Länder in Lotterie-Fragen immer eng abgestimmt. Es gibt sogar Staatsverträge, um regionale Sonderwege zu verhindern. Dabei wird es wohl auch bleiben. Sicherheitshalber hat das Bundesverfassungsgericht gestern aber auch eine Regelung per Bundesgesetz zugelassen, um föderalistisches Chaos zu vermeiden.

Chaos gibt es aber ohnehin genug. Denn das staatliche Wettmonopol steht längst nur noch auf dem Papier. Vier private Firmen bieten derzeit in Deutschland Sportwetten an und berufen sich auf DDR-Lizenzen, die sie kurz vor der Wiedervereinigung noch ergattert haben. Das größte dieser Unternehmen, betandwin, ist inzwischen ähnlich gut im Geschäft wie der staatliche „Monopolist“ Oddset. In letzter Zeit hat Oddset immer mehr Marktanteile an diese Konkurrenz verloren. Die Umsätze fielen von 540 Millionen Euro (2002) auf nur noch 432 Millionen Euro im Jahr 2005.

Ob die DDR-Lizenzen, die teilweise mehrfach weiterverkauft wurden, heute noch gelten, ist rechtlich umstritten. Ebenso wie die Frage, ob sie überhaupt in den westlichen Bundesländern gelten. Ein jüngst ergangener Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts deutet an, dass betandwin und die anderen DDR-Lizenzinhaber legal in ganz Deutschland agieren können. Wenn der Staat dann sein Wettmonopol aufrechterhalten will, muss er die Lizenzen widerrufen und die Anbieter entschädigen.

Bis der Umgang mit den DDR-Lizenzen geklärt ist, hängen auch tausende Wettbüros in der Luft, die in den letzten Jahren gegründet wurden und Wetten von privaten Anbietern vermitteln. Teilweise wurden sie nur mit Blick auf das Karlsruher Verfahren geduldet. Jetzt werden die Länder wohl versuchen, die Büros dichtzumachen. „Sie müssen sofort geschlossen werden“, forderte gestern bereits Ilona Füchtenschnieder vom Fachverband Glücksspielsucht.

Wenig Handhabe hat der Staat aber gegen ausländische Anbieter, die ihre Wetten nur über das Internet anbieten. Sie haben gegenüber Oddset dauerhaft den Vorteil, dass sie höhere Quoten ausschütten können. Während der staatliche Anbieter einen Großteil seiner Einnahmen für die Sportförderung verwenden muss, geht bei privaten Wettfirmen 90 Prozent des Geldes an die Wetter zurück. Es wird sich also zeigen, ob sich unter diesen Bedingungen tatsächlich noch so etwas wie ein Monopol durchsetzen lässt. Man kann den Ausländern zwar verbieten, in Deutschland Annahmestellen einzurichten, ihre Seiten sperren kann man aber nicht, da sie im jeweiligen Heimatland ja legal sind.

Die Sportverbände haben gestern aber erst einmal aufgeatmet. „Es hätte für den Sport schlechter kommen können“, sagte Manfred von Richthofen, der Präsident des Deutschen Sportbundes. Er hatte bei einem Wegfall des Wettmonopols bereits die Existenz des Breitensports in Gefahr gesehen. Doch das war ohnehin völlig übertrieben. 90 Prozent der Gelder, die der Sport aus Glücksspieleinnahmen bekommt, haben mit Sportwetten nichts zu tun, sondern stammen aus Lotto-Töpfen. Und selbst eine Liberalisierung der Glücksspielmärkte müsste für Sport und Kultur kein Nachteil sein. Die Lizenzen könnten dann teuer verkauft werden und die Einnahmen würden hoch besteuert werden – zugunsten gemeinnütziger Zwecke. Dass betandwin derzeit so günstig wegkommt, ist nur eine Folge des ungeklärten Rechtsstatus.

Eines aber hat Karlsruhe gestern deutlich klargestellt: Die gemeinnützige Verwendung von Wetteinnahmen kann das Staatsmonopol nicht legitimieren. Nur der Kampf gegen die Spielsucht rechtfertigt es, Privatpersonen vom Beruf des Wettanbieters auszuschließen.