Wettbetrug im italienischen Fussball: Ganz besondere Arrangements
Italiens Erstliga-Klubs CFC Genua, Bergamo und Lazio Rom müssen sich des Vorwurfs der Spielmanipulation erwehren. 22 Partien der Serie A sollen verschoben worden sein.
BERLIN taz | Fußballitalien zittert sich ins neue Jahr. Die Verhöre weiterer mutmaßlicher Wettbetrüger zum Jahreswechsel förderten Verdachtsmomente gegen insgesamt 43 Fußballprofis und mehrere Dutzend verschobene Begegnungen zutage. Davon sollen 22 in der obersten Spielklasse ausgetragen worden sein.
Die Operation "Last Bet" der Staatsanwaltschaft Cremona erbrachte Hinweise auf Manipulationen von der Saison 2008/09 bis in die gerade in die Winterpause gegangene Spielzeit. Angesichts dieser Wettbewerbsverzerrung kündigte Verbandspräsident Giancarlo Abete ein neues Sportgerichtsverfahren an.
Bangen müssen in der 1. Liga vor allem Atalanta Bergamo, CFC Genua und Lazio Rom. Beim Aufsteiger aus Bergamo haben sich nicht nur die Indizien auf Betrugsversuche des Exkapitäns Cristiano Doni erhärtet. Abgehörte Telefonate mit einem Mitglied des Aufsichtsrats des Klubs lassen die Ermittler vermuten, dass der Verein von den Manipulationen Donis wusste und sie tolerierte.
Der Klub, der derzeit in einer Berufungsverhandlung die im Sommer verhängte Strafe von sechs Minuspunkten reduzieren will, trennte sich vorsorglich von dem einstigen Aushängeschild. Unterstützungstransparente für Doni verschwanden aus dem Stadion. Und auch eine Facebook-Solidaritätsgruppe für Doni stellte ihre Aktivitäten ein.
Es ist jedoch wahrscheinlich, dass ein neues Verfahren weitere Minuspunkte aufs Konto der kleinen Nerazzurri bringt. Das Lokalblatt Eco di Bergamo übte sich bereits in einer eher düsteren Variante von Optimismus. "Den Direktabstieg in die 2. Liga gibt es nur, wenn der Vereinspräsident oder sein Sohn in die Manipulationen verwickelt sind.
Geldflüsse in die Schweiz
Doch davon ist bislang nichts bekannt", beruhigte die wichtigste Zeitung der Stadt ihre Leser. Der CFC Genua und Lazio sind durch Carlo Gervasoni, eine Schlüsselfigur des Betrugsgeschehens, ins Gerede gekommen. Gervasoni erzählte den Ermittlern, dass sowohl Lazio-Profi Stefano Mauri als auch Genua-Crack Omar Milanetto von der sogenannten Gruppe der Zigeuner kontaktiert und als verlässlich eingestuft worden seien.
Beide standen auch bei der Begegnung ihrer Vereine am vorletzten Spieltag der vergangenen Saison auf dem Platz. Das Spiel galt schon vor Bekanntwerden der Details um Mauri und Milanetto als manipuliert. Nationalspieler Mauri ließ ein Kommuniqué verbreiten, in dem er "jede Beteiligung an Betrugsversuchen" empört zurückwies.
Milanetto, im Sommer zu Zweitligist Padua abgeschoben, hüllte sich bislang in Schweigen. Für Überraschung sorgte die Tatsache, dass sich die Betrüger nicht einmal durch die erste Ermittlungswelle im Juni stoppen ließen.
Exprofi Alessandro Zamperini, der vor zwei Sommern wegen eines Flirts mit Silvio Berlusconis Zahnhygienikerin Nicole Minetti für Schlagzeilen sorgte, versuchte noch im November 2011, einen Spieler des Zweitligisten AS Gubbio mit einem Geldpaket von 150.000 bis 200.000 Euro zu überzeugen, das Pokalspiel gegen den Serie-A-Vertreter AC Cesena zu "arrangieren".
Zamperini handelte nach Aussage des Kronzeugen Gervasoni im Auftrag der sogenannten Gruppe der Zigeuner. Weil der kontaktierte Profi aus Gubbio jedoch ablehnte und stattdessen bei der Polizei Anzeige erstattete, kam die winterliche Verhaftungswelle ins Rollen. Die führte auch zu Geldflüssen in der Schweiz, zu Zockermasterminds in Singapur und zu unruhigen Nächten für mehrere Dutzend Kicker und ehemalige Kicker in Italien.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
Erderwärmung und Donald Trump
Kipppunkt für unseren Klimaschutz
EU-Gipfel zur Ukraine-Frage
Am Horizont droht Trump – und die EU ist leider planlos
Wirbel um KI von Apple
BBC kritisiert „Apple Intelligence“