Westliche Medienvertreter in Syrien: Keine Story ist es wert, dafür zu sterben
Deutsche Medien schicken keine Mitarbeiter an die Front. Es scheint, als hätten sie aus der über viermonatigen Inhaftierung zweier Springer-Reporter im Iran gelernt.

Auch in der Türkei protestieren Journalisten gegen die Morde an KollegInnen in Syrien. Bild: reuters
Beim Dauerbeschuss der syrischen Stadt Homs haben in der vergangenen Woche auch zwei westliche Journalisten ihr Leben verloren, zwei weitere, die Französin Edith Bouvier und der britische Fotograf Paul Conroy, wurden verwundet und warten darauf, in den Libanon gebracht zu werden. Sie werden notdürftig medizinisch versorgt.
Die vergeblichen Bemühungen werfen Fragen an die Diplomatie und den Umgang westlicher Medien mit ihrer Verantwortung gegenüber den eigenen Mitarbeitern auf.
Marie Colvin, Kriegsberichterstatterin der britischen Sunday Times, starb nur wenige Tage nach ihrer Ankunft in einem Schmugglerauto. Sie fuhr sehenden Auges in den Krieg, wurde von Rebellen überschwänglich begrüßt und kurz darauf von einem Schrapnell getroffen. In Beirut warten derzeit internationale, vor allem junge US-Journalisten, auf ihre rund 5.000 US-Dollar teure Fahrt in den Krieg.
Wem aber ist geholfen, wenn spektakuläre Bilder und Storys statt von mittlerweile namhaften Bürgerreportern von Journalisten kommen, die dort ohne Orts- und Sprachkenntnisse arbeiten? Die International Journalists Federation betont die Wichtigkeit objektiver Berichterstattung, die Gefahren seien aber „gut abzuwägen“, da keine Story es wert sei, dafür zu sterben.
Indes scheint es, als hätten deutsche Medienhäuser und Journalisten aus der über viermonatigen Inhaftierung zweier Springer-Reporter im Iran gelernt. Derzeit fordert kein deutsches Medium Mitarbeiter dazu auf, für Exklusivgeschichten aus Syrien ihr Leben zu riskieren.
Das ARD-Team, das am Sonntag von der Abstimmung über die neue Verfassung berichtete, wurde vom Regime eingeladen. Die Lektion, die Ahmadinedschad die deutsche Presse und Diplomatie in diesem glimpflich ausgegangenen Fall gelehrt hat, war offenbar nicht die schlechteste, um ihnen die Schmach eines erneuten Kniefalls vor einem Kriegstreiber zu ersparen.
Leser*innenkommentare
Bernardo Markowsky
Gast
»Das ARD-Team, das am Sonntag von der Abstimmung über die neue Verfassung berichtete, wurde vom Regime eingeladen. Die Lektion, die Ahmadinedschad die deutsche Presse und Diplomatie in diesem glimpflich ausgegangenen Fall gelehrt hat, war offenbar nicht die schlechteste, um ihnen die Schmach eines erneuten Kniefalls vor einem Kriegstreiber zu ersparen.«
Was soll das heissen? Klingt dies und anderes nur in meinen Ohren verschwurbelt? Die Meinungsäusserung von Frau Zajcek fordert im Kern einen klinischen und diplomatisch abgesicherten Journalismus, den es aus Konfliktgebieten gar nicht geben kann. Frau Corbins sowohl sachliche als auch leidenschaftliche Berichterstattung brach alle solche scheinmoralischen Barrieren, sie entschied allein, welchem Risiko sie sich ausstezte, und es steht keinem daheim gebliebenen Medienmenschen an, weder an der Alster noch im Rudi- Dutschke- Haus, darüber zu urteilen, ob "es das wert war" oder nicht. Es geht zuallererts und immer wieder darum, die verklebten Lider im Auge des Taifuns zu öffnen und es gilt wohl die Regel: je stiller es hier wird, desto gewaltiger stürmt es an den Peripherien unserer Zivilisation. Einige wagen sich noch hinaus.