Westdeutschlandisierung am Kottbusser Tor: 2 Filme = 1 x "Kreuzkölln"
Unter dem Titel "Kreuzkölln" kommen der halbstündige "Moruk" und die einstündige Dokumentation "24 Stunden Schlesisches Tor" ins Kino. Es geht um die Gentrifizierung eines Berliner Bezirks.
![](https://taz.de/picture/333073/14/OktayOezdemir_BurakYigit.jpg)
Als ewiger Kreuzberger war man sehr gespannt auf "Kreuzkölln", hatte man doch die Veränderungen in den letzten Jahren hautnah mitgekriegt - die Westdeutschlandisierung am Kottbusser Tor, die Mallorcaisierung am Schlesischen Tor und die Gentrifizierung der Kreuzberg zugeneigten Ecke von Neukölln.
Für diese Dinge interessieren sich die beiden Filme, die jetzt unter dem Titel "Kreuzkölln" ins Kino kommen, der halbstündige "Moruk" und die einstündige Dokumentation "24 Stunden Schlesisches Tor", wenig; der Titel wurde wohl eher gewählt, weil er gut klingt und natürlich die vielen potenziellen Kinogänger anspricht, die hier wohnen. "Kreuzkölln" ist aber trotzdem prima.
"Moruk" von Serdal Karaça ist ein atmosphärisch stimmiges, teils an Jim Jarmusch erinnerndes Kammerspiel. Die beiden Helden, der eher actionorientierte, leicht zapplige Murat (Oktay Özdemir) und sein schüchtern-romantischer Freund Hakan (Burak Yigit), hängen tagtäglich an einer Straßenecke, in Neukölln wohl, ab. Sie quatschen miteinander, telefonieren ab und an, kiffen, werden von schüchternen deutschen Jugendlichen gefragt, ob sie Rauchwaren zu verkaufen hätten, nehmen das Geld und verschwinden. Man könnte es Nichtstun nennen, was die Jungs so tun, aber eigentlich ist es Kommunikation. Irgendwann sprechen sie zwei junge Mädchen auf einem Spielplatz an, treffen auf Gegeninteresse, werden zu einer Party eingeladen, die leider nicht so gut ausgeht.
"Moruk" ist ein schöner kleiner Film, der auch die großen Vorteile von Schwarz-Weiß deutlich macht: Weniger Information! Stärkere Konzentration! Angenehme Wehmut! Und wenn man gerade noch dachte, dass "Prinzessinnenbad" gut zu "Moruk" passte, fällt einem auf, dass eine der Heldinnen von Klara Reinacher gespielt wird, die man aus "Prinzessinnenbad" kennt.
Die Dokumentation "24 Stunden Schlesisches Tor" von Eva Lia Reinegger und Anna de Paoli macht genau das, was der Titel verspricht: Der Tageschronologie folgend, haben die Autorinnen viele verschiedene Menschen interviewt, die allesamt recht sympathisch wirken: eine in Mahlsdorf wohnende Frau, die Plakate in der U-Bahn klebt, eine aus Polen stammende Praktikantin, die Balkone baut, einen BSR-Mitarbeiter, der sich auf seine Rentenzeit freut, in der er sich vor allem mit seinem Hobby - Schlittenhunde - beschäftigen möchte, einen 21-jährigen Türken, der immer schon am Schlesischen Tor wohnte und wenig Sinn darin sieht, von seinen Eltern wegzuziehen, weit gereiste Pärchen aus unterschiedlichen Ländern, die sich jedes Jahr in Berlin treffen, einen gemütlichen, dicken Rentner, von dem man sich vorstellt, dass er in den 60er-Jahren vielleicht ein umherschweifender Haschrebell war, etc. Nur an die Junkies haben sich die Filmemacherinnen nicht rangetraut.
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