Westdeutsche Allgemeine Zeitung: Schleichwerber mit Reue
Die "WAZ" verspricht, künftig bezahlte Artikel als "Anzeige" zu kennzeichnen. Die "taz" hatte aufgedeckt, dass sie und andere PR-Texte wie Redaktionsinhalte präsentierten.
Die Westdeutsche Allgemeine Zeitung hat die von der taz aufgedeckte Schleichwerbung eingestanden. Die Kennzeichnung der verkauften PR-Texte sei "juristisch nicht korrekt" gewesen, schreibt Verlagssprecher Paul Binder in einer Stellungnahme.
In Zukunft werde die Zeitung die "bezahlten PR-Texte klar und deutlich mit dem Wort 'Anzeige' kennzeichnen". Bisher hatte der Verlag die Seiten mit solchen Artikeln als "Verlagssonderveröffentlichung" oder "Anzeigensonderveröffentlichung" gekennzeichnet, obwohl die Landespressegesetze das Wort "Anzeige" vorschreiben.
Zwei taz-Reporter hatten sich bei einer verdeckten Recherche gegenüber zehn Verlagen als Mitarbeiter einer Werbeagentur ausgegeben. Mehrere Verlage hatten angeboten, einen Text über ein von der Werbeagentur vorgegebenes Thema zu veröffentlichen, wenn gleichzeitig eine bezahlte Anzeige in Auftrag gegeben wird. Noch weiter gingen die Westdeutsche Allgemeine Zeitung, die Zeit und das Neue Deutschland: Sie boten an, dass direkt für die Texte bezahlt wird, ohne dass die Texte mit dem Wort "Anzeige" gekennzeichnet werden.
In der sonntaz vom 2./3. April erschien eine aufwendige Undercover-Recherche. Diverse Zeitungen und Zeitschriften wurden von zwei taz-Journalisten verdeckt als Anzeigenverkäufer besucht. Die beiden Journalisten wollten herausfinden, wie weit sich die Pressehäuser an die branchenüblichen Regeln halten, nach denen ein von einem Anzeigenkunden gekaufter Text auch klar als Anzeige erkennbar und gekennzeichnet sein muss. Das Spektrum der Zeitungen reichte von lokal bis überregional, von seriös bis Boulevard.
Der taz-Justiziar Peter Scheibe riet aus juristischen Gründen von einer Veröffentlichung der Geschichte ab: Es bestehe ein zu großes Risiko auch juristischer Auseinandersetzungen mit den Verlagen, die bei der Recherche nicht gut wegkämen. Zunächst teilt er nicht die Meinung, dass zumindest sämtliche geschilderten Beispielfälle per se der strengen Kennzeichnungspflicht mit dem Wort "Anzeige" nach dem jeweiligen Landespressegesetz unterliegen müssen, zumal die entsprechenden Vorschriften das ausdrücklich nur verlangen, soweit die Veröffentlichung nicht schon durch Anordnung und Gestaltung allgemein als Anzeige zu erkennen ist, und dieser Maßstab nur an die konkrete Veröffentlichung angelegt werden kann. Also neu für jeden Einzelfall.
Darüber hinaus sind bestimmte Praktiken der verdeckten Recherche in der Regel nicht möglich und setzen ein besonderes öffentliches Interesse voraus. Anhand der Vorgaben des in der taz zitierten Urteils des Oberlandesgerichts München aus dem Jahre 2005 im Zusammenhang mit dem damaligen Schleichwerbeskandal bei der ARD-Serie "Marienhof" lässt sich nach Auffassung des Justiziars ein solches öffentliches Interesse im juristischen Sinne hier nicht von vornherein herleiten. Die rechtliche Abwägung, die Presserechtler bei jedem kritischen Artikel leisten müssen, fiel also zuungunsten der Geschichte aus.
Die Chefredaktion hat sich ausnahmsweise trotzdem entschlossen, den Artikel zu veröffentlichen, selbst wenn dies juristische Auseinandersetzungen zur Folge hätte, da manche Zeitungen unserer Meinung nach bei ihren betroffenen Abteilungen keinesfalls geeignete Kontrollmechanismen installiert haben. Auch die Kennzeichnung der gekauften Seiten ist oft mangelhaft. Dies sollte der Öffentlichkeit bekannt sein, daher die Veröffentlichung. Juristisch gesehen ist das wohl eine nicht unbedingt nachvollziehbare Vorgehensweise. Aber manchmal ist die taz eben die taz.
DIE TAZ-CHEFREDAKTION
Für den Deutschen Presserat spricht dessen Geschäftsführer Lutz Tillmanns von einer altbekannten "Grauzone", die auch bei dem Selbstkontrollorgan der Zeitungen und Zeitschriften ganz oben auf der Agenda stehe. "In vielen Redaktionen gibt es Unsicherheiten bis hin zur Unkenntnis, was die Kennzeichnungspflicht angeht", sagt Tillmanns. Der taz-Artikel vom vergangenen Wochenende habe zwar die rechtliche Seite der Thematik formal richtig beschrieben, die rein juristische Sicht sei jedoch "nicht griffig genug und daher in der Praxis wenig hilfreich", so Tillmanns.
Der Presserat nimmt also nicht die Landespressegesetze als Grundlage, sondern prüft nach eigenen Kriterien: Wenn der Leser den Eindruck habe, es mit einem redaktionellen Produkt zu tun zu haben, obwohl es sich tatsächlich um Werbung handelt, liege ein Verstoß gegen den Pressekodex vor. Da der Presserat die Kennzeichnung von "Verlagssonderseiten" oder "Anzeigensonder-veröffentlichungen" für ausreichend hält, um den Inhalt für die Leser als Werbung zu kennzeichnen, beanstandet er solche Beilagen nicht.
Die Zahl der vom Presserat erteilten Rügen aufgrund von Verstößen gegen dieses Trennungsgebot steigt seit Jahren. Dies, so Tillmanns, belege auch, "dass sich immer mehr Leser kritisch mit Themen wie Schleichwerbung und ungenügender Kennzeichnung auseinandersetzen.
Bund der Pressesprecher: Verlage und Journalisten bereiten Boden
Den Trend, die Grenzen zwischen redaktionellem Teil und werblichen Veröffentlichungen zu verwischen, sieht auch der Bundesverband deutscher Pressesprecher (BdP). In der "gemeinsamen Verantwortung" gegenüber dem Leser seien aber Pressesprecher wie Journalisten gefordert, auf eine klare Trennung zu achten, sagt BdP-Präsidiumssprecher Jörg Schillinger, im Hauptberuf Leiter der Öffentlichkeitsarbeit beim Lebensmittelkonzern Dr. Oetker. "Seit rund zehn Jahren gibt es leider den Trend, dass Verlage sogar proaktiv Angebote zur werblichen Berichterstattung machen."
Hier bereiteten also nicht Werber oder PR-Leute, sondern Verlage und Journalisten selbst den Boden für eine solche Vermischung. Für den Pressesprecherverband und seine Mitglieder bleibe dies ein No-Go: "Die Trennung von redaktionellem Teil und werblichen Veröffentlichungen ist durch die Pressegesetze und den Pressekodex klar definiert und so selbstverständlich, dass wir da kein eigenes Papier brauchen", sagt Schillinger.
"Das Vertrauen, das die Leser in die Zeitung haben, ist unser höchstes Gut", sagt Hans-Joachim Fuhrmann, für Kommunikation zuständiger Geschäftsführer beim Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger (BDZV). Daher sei es "von existenzieller Wichtigkeit, auf eine klare Trennung zwischen redaktionellem Teil und Anzeigen zu achten - und wie die auszusehen hat, steht im Pressekodex". Dies sei auch gängige Praxis, "die Verlage haben sich da nichts vorzuwerfen", so Fuhrmann: Redaktionelle Beilagen unterlägen den gleichen Anforderungen wie der Rest der Zeitung.
Anderes gelte für Sonderveröffentlichungen, die klar getrennt und gekennzeichnet seien. Hier könnten die Leser aber auch klar unterscheiden. Die Verlagssonderveröffentlichung sei eine "beliebte Methode, da man hier weit über die Möglichkeiten der klassischen Anzeige hinaus beispielsweise komplexe Zusammenhänge erklären kann", so Fuhrmann. Daher würde diese Werbeform auch "in zunehmendem Maße von den Zeitungen angeboten".
Dass es dabei "immer wieder Grenzfälle gibt und es auch zu Fehltritten kommt", gibt auch Fuhrmann zu. Das lehre schon "die tägliche Praxis - und dafür haben wir den Presserat".
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