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Wertvoller Fund in NeuseelandUralter Hitchcock-Film entdeckt

Der erste Film, für den Alfred Hitchcock das Drehbuch geschrieben hat, galt Jahrzehnte lang als verschollen. Jetzt tauchte "White Shadow" plötzlich in einem Safe in Neuseeland auf.

Berührendster Satz aus der Wikipedia über Hitchcock: "Seine Freizeit verbrachte er großteils mit dem Lesen von Fahrplänen." Bild: dpa

WELLINGTON dpa | Sensationeller Fund für Hitchcock-Fans: ein Großteil des frühesten und verschollen geglaubten Films, für den Alfred Hitchcock, der Meister des Thrillers, das Drehbuch geschrieben hat, ist in Neuseeland entdeckt worden. Drei von insgesamt sechs Filmrollen zu "White Shadow" aus dem Jahr 1923 schlummerten jahrelang in einem Safe, berichtete das neuseeländische Filmarchiv am Mittwoch.

Das Material ist etwa 30 Minuten lang. "Es ist zwar nicht komplett, aber man kann darauf schon einen werdenden Meister erkennen", berichtete die amerikanische Stiftung für die Erhaltung von Filmen. Nach Informationen der "Los Angeles Times" soll der Film am 22. September in Beverly Hills in den USA gezeigt werden.

Filmkritiker sprachen von einer Sensation. "Das ist eine der bedeutendsten Entwicklungen aller Zeiten für Forscher, Kritiker und Bewunderer von Hitchcocks außerordentlichem Werk", sagte der Vorsitzende des amerikanischen Filmkritikerverbandes, David Sterritt. "Hitchcock hat nur zwei Jahre später selbst angefangen, Regie zu führen. Diese Filmrollen bieten die unschätzbare Gelegenheit, seine visuellen und erzählerischen Ideen in der Entstehung zu studieren."

"White Shadow" ist ein britisches Stummfilm-Melodram über charakterlich völlig gegensätzliche Zwillingsschwestern, gespielt von Betty Compson. Hitchcock war bei der Produktion 24 Jahre alt und wirkte als Drehbuchschreiber, Artdirektor und Assistent des Regisseurs mit. Regisseur Graham Cutts habe damals schon neidisch auf das junge Talent geschaut und ihm die Arbeit damit nicht gerade erleichtert, berichtete Sterritt.

Die Filmrollen stammen aus dem Nachlass des neuseeländischen Filmvorführers Jack Murtagh, der zahlreiche Filmrollen sammelte. Sein Enkel hatte das Material 1989 an das Filmarchiv weitergegeben. Mangels Geld blieben die Filmrollen in einem feuersicheren Safe und wurden nicht näher untersucht.

Neuseeland war in den 1920ern oft das letzte Land, in dem neue Filme gezeigt wurden. Die Filmrollen blieben nach der letzten Vorführung dort einfach liegen. Deshalb gelten die Archive als besonders wertvoll. Dort wurde unlängst auch die lange verloren geglaubte Komödie "Upstream" von John Ford aus dem Jahr 1927 gefunden.

Im vergangenen Jahr begannen Experten der amerikanischen Stiftung für die Erhaltung von Filmen, das Archiv in Neuseeland nach alten US-Produktionen zu durchsuchen. Einer der Ermittlerinnen fielen die "White Shadow"-Rollen in die Hände.

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3 Kommentare

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  • M
    Mathematiker

    Lieber Filmvorführer,

     

    ich hatte schon befürchtet, dass ich irgendeine pedantische Antwort bekomme. Interessant nur, dass Sie auch noch behaupten, das wichtige nicht aus den Augen zu verlieren, also "lebensnaher" zu sein.

     

    Also versuche ich Ihnen mal klar zu machen, dass meine Aussage trotzdem lebensnäher ist als ihre. Selbst wenn auf der 6. Rolle gar nichts drauf wäre, würde der Fund 60% ausmachen. Dies ist nicht der Fall, also wurden zwischen 50 und 60 % des Films gefunden. Wenn man jetzt Großteil lebensnah und nicht pedantisch versteht, bedeutet es nicht >50%, sondern vielleicht so ungefähr 80% (plusminus 10% vielleicht). Bei etwas mehr als der Hälfte (maximal 10%) von einem Großteil zu sprechen, finde ich schon etwas merkwürdig…

  • F
    Filmvorführer

    Lieber Mathematiker:

    Weil drei Rollen von sechs Rollen aller Wahrscheinlichkeit nach tatsächlich mehr ist als 50%.

     

    Warum? Die letzte Rolle ist selten bis nie voll, die einzelnen Akte (=Rollen) hatten damals meist eine Lauflänge von 16-17 Minuten, die jeweils letzte Rolle fasste den Rest (von 2 bis 16 Minuten). Wenn bei den Funden jetzt die letzte Rolle fehlt, wurde damit logischerweise über die Hälfte des Films gefunden.

     

    So einfach kann Mathematik sein, wenn man das Wesentliche nicht aus den Augen verliert.

  • M
    Mathematiker

    Es ist nicht dramatisch, aber witzig schon (und es zeigt auch ein bisschen die Sensationslust von Zeitungen): Ein Großteil des Films wurde gefunden! …nämlich 3 von 6 Filmrollen. Wieso ist diese Hälfte denn größer als die andere???