piwik no script img

Archiv-Artikel

Werkstatt der Moderne

In Dessau arbeitete das Bauhaus an einer konkreten Utopie

von Daniel Völzke

„Nehmen wir den blauen Himmel als gutes Zeichen für das, was sich einst unter diesen Dächern abspielen soll.“ Mit diesen hoffnungsvollen Worten begann die Dessauer Zeit des Bauhauses. Hier widmete sich die „Schule für Gestaltung“ der Erneuerung beinahe aller Lebenswelten: Architektur, Möbeldesign, Theater, Malerei und selbst soziale Utopien waren Bestandteile des Bauhaus-Projekts. Dieser Modernisierungswille erforderte einen neuen pädagogischen Ansatz. Die Ausbildung vereinte künstlerische mit handwerklicher Qualifizierung - zukunftsfroh und doch nicht lebensfremd sollte das Bauhaus sein.

Solche Fortschrittlichkeit fand nicht erst in Dessau Feinde. In Weimar, wo die Schule 1919 vom Architekten Walter Gropius gegründet wurde, konnte die Lehranstalt nicht länger bleiben: Die nationalkonservative, thüringische Landesregierung entzog ihr alle staatlichen Mittel. Der Stadtrat Dessau bot an, die Lehre in dem anhaltinischen Ort weiter zu führen. In der aufstrebenden Industriestadt suchte die Schule Anschluss an die industrielle Produktion.

Die Bauhäusler kamen, sahen und errichteten sich ihr eigenes Unterrichtsgebäude, Meisterhäuser für die Lehrer und Arbeiterwohnungen in der Siedlung Törten. Bedeutende Künstler wie Wassily Kandinsky, Paul Klee und Oskar Schlemmer unterrichteten Studierende aus 29 Ländern. In Dessau entwickelte sich die Schule endgültig zu einem Zentrum der Moderne.

Gegen die Initiativkraft des Bauhauses wetterten die Nationalsozialisten. Das Bauhaus-Gebäude mit seiner Glasfront wurde als „Aquarium“ verspottet, der „jüdisch-bolschewistisch internationalen Geist“ der Schule geschmäht. Im Winter 1928 reicht Walter Gropius seinen Rücktritt ein. Sein Nachfolger, der kommunistische Schweizer Architekt Hannes Meyer, wurde schon zwei Jahre später von der städtischen Verwaltung entlassen und Ludwig Mies van der Rohe, ebenfalls Architekt, übernahm sein Amt. Doch auch er konnte die Schließung des Bauhauses in Dessau weitere zwei Jahre später nicht aufhalten.

Ihr Geist überlebte in Nachfolgeschulen wie die School of Design in Chicago oder die Hochschule für Gestaltung in Ulm. Im Lehrgebäude in Dessau residiert heute die Bauhaus-Stiftung, die Ausstellungen organisiert und in einem Kolleg internationale Stipendiaten versammelt, um gemeinsam über städtebauliche Probleme nachzudenken. Die inoffiziellen Nachfolger des Bauhauses aber sind die zahlreichen Designfirmen, die Bauhaus-Möbel der Dessauer Zeit nachbauen. Die Lizenzstreitereien um Hocker gehören zu den weniger ruhmreichen und dennoch unterhaltsamen Ausläufer einer großen Bewegung.