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Archiv-Artikel

Werder zieht davon

Bundesliga-Tabellenführer Bremen remisiert gegen Hannover 96 torlos, aber nicht nur Werder-Manager Klaus Allofs wertet das dennoch als weiteren Schritt in Richtung deutsche Meisterschaft

AUS BREMEN MARKUS JOX

Per Mertesacker nach dem Schlusspfiff im Bremer Weserstadion zu beobachten, war eine helle Freude. Der ausgepowerte, aber glückliche Abwehrspieler von Hannover 96 harrte, in eine hellblaue Decke gewickelt, des Interviews, das ein gelhaariger Jungreporter vom Deutschen Sportfernsehen gleich mit ihm führen würde. Rasch strich sich Mertesacker die Bubi-Frisur zurecht und grinste ein wenig in sich hinein, so wie alle Spieler von Hannover 96 grinsten, und Trainer Ewald Lienen natürlich obendrein. Einen Punkt hatte man dem Tabellenführer der Fußball-Bundesliga soeben abgeluchst, auf dessen Platz – und gar nicht mal unverdient.

„Guck mal, Ailton! Dein Bewacher wohnt noch bei Mama und Papa im Kinderzimmer“, hatte die Boulevardpresse in der Vorberichterstattung zum Spiel gehöhnt. Der 1,98 m lange Schüler Mertesacker, der im Mai das Abitur machen wird, ließ sich von solchen Mätzchen nicht irritieren. Ailton, der die Bundesliga-Torjägerliste mit 25 Treffern anführt, machte gegen den jungen Mann keinen Stich. Der Brasilianer wurde in der 72. Minute entnervt ausgewechselt. Sein Gegenspieler aber, der bis zum Schluss durchgeackert hatte, gab im Interview – übrigens ohne ein einziges Mal „Na gut, ich sag mal“ zu sagen – ganz freimütig zu, „dass wir schon ein bisschen Glück gehabt haben“. Vor allem in der zweiten Halbzeit habe das Werder-Mittelfeld enormen Druck gemacht. Selber habe man leider „die Konter nicht richtig gut ausgespielt“. Sein Trainer Ewald Lienen weigerte sich übrigens auf der Pressekonferenz auf Nachfrage standhaft, Mertesacker lobend hervorzuheben. „Dann müsste ich ja auch Julian de Guzman loben, Silvio Schröter oder Steven Cherundolo, der seit Wochen in einer bestechenden Form spielt“, sagte Lienen, der – ganz Fußball-Pädagoge – wohl Sorge hat, der Junge könnte sonst abheben.

Werder Bremen ist jetzt zwar seit 20 Punktspielen ungeschlagen, blieb aber erstmals in dieser Saison zu Hause ohne Torerfolg. Was die Meisterschaftschancen anbetrifft, war die Nullnummer wohl so etwas Ähnliches wie das retardierende Moment im Drama: eine Spannungsverzögerung kurz vor dem guten (oder tragischen) Ende. Die Laune der Bremer Fans, die vor Spielbeginn noch euphorisiert in der Ostkurve ein Plakat ausgerollt hatten mit einer von gelbem Lorbeer umrankten W-Raute und dem Slogan „Oh, du wunderschöner SVW – du sollst ewig Deutscher Meister sein“, hielt sich dementsprechend in Grenzen. Am kommenden Wochenende in Bochum hat Werder zudem ein Abwehrproblem: Klasse-Verteidiger Valérien Ismaël, bisher einer der konstantesten Leistungsträger im Gefüge, fällt wegen seiner fünften gelben Karte aus, Kollege Mladen Krstajic laboriert an einer Wadenverletzung.

Ähnlich wie vor zwei Wochen der SC Freiburg setzten die Hannoveraner mit einer sehr konzentrierten Abwehrleistung (vulgo: sie stellten sich hinten rein) der Bremer Kombinationsfreudigkeit enge Grenzen. Und die Niedersachsen hatten ja auch noch Marc Ziegler. Lienen räumte das ganz nüchtern ein: „Wir müssen uns beim Torwart für das Unentschieden bedanken.“ Ziegler zeigte vor allem in der zweiten Halbzeit tolle Paraden, etwa bei einem Kopfball von Nelson Valdez (sehr ambitioniert) und bei zwei Großchancen von Krisztian Lisztes (eher tragisch). Einen „ganz, ganz wichtigen Punkt im Abstiegskampf“ habe man so eingefahren, sagte Lienen – nicht obwohl, sondern weil Hannover „nach vorne dünn operiert“ habe.

Am Ende dieses Spieltages schließlich stand der Bremer Sportdirektor Klaus Allofs, wie immer in ein fesches Anzüglein gewandet und eine Hand lässig in die Hosentasche gesteckt, feinsinnig lächelnd im Presseraum in den Katakomben des Weserstadions. Sein Blick fiel auf einen TV-Monitor, wo Bayerns Co-Trainer Michael Henke gerade über die verbliebenen Meisterschaftschancen der Münchner räsonnierte. „Die Messe ist noch nicht gelesen“, sprach Henke tapfer in die Kamera. Herr Allofs lächelte. Ganz lange und ganz leise. „Das müssen die doch sagen, das ist doch klar“, sagte er dann. Und: „Wir wollen dafür sorgen, dass die keine Chance mehr haben.“ Im Übrigen sei das ja so: Wenn Bayern und Werder am Wochenende gewonnen hätten, wäre der Vorsprung bei sieben Punkten geblieben. So, nach der Münchner Pleite in Dortmund, betrage er acht Zähler. Das sei doch prima. Vielleicht sollte Allofs irgendwann in die Politik gehen – und Wahlergebnisse interpretieren.