Werbung: Vernichtendes Urteil über CMA
Der Bundesrechnungshof sieht rechtliche Probleme bei der Werbung der Agrar-Marketinggesellschaft. Kritische Bauern sehen sich bestätigt.
Geschmacklos, uneffektiv und rechtlich fragwürdig: Mit solchen Vorwürfen lebt die "Centrale Marketing-Gesellschaft der deutschen Agrarwirtschaft" (CMA) schon lange. Die Landwirte, die sich dagegen wehren, zweifelhafte Werbekampagnen ("Die Milch machts", "Ich mags am liebsten mit jungem Gemüse") mit verpflichtenden Abgaben zu finanzieren, haben nun hochrangige Unterstützung: Der Bundesrechnungshof hat sich das System der deutschen Absatzförderung angesehen und ist zu einem vernichtenden Urteil gekommen.
In der Stellungnahme, die der taz vorliegt, haben die Prüfer schon im vergangenen Jahr schwere Vorwürfe erhoben und das zuständige Landwirtschaftsministerium zum Handeln aufgefordert. Obwohl die rund 90 Millionen Euro, die der CMA jährlich im Schnitt zur Verfügung stehen, als Sonderabgabe eingetrieben würden, gebe es "keine Kontrolle der Einnahmen und Ausgaben", wie sie für öffentliche Haushalte vorgeschrieben sei. Auch würden der Bedarf für die Werbung nicht geprüft und die gewünschten Ergebnisse nicht erreicht.
Am schwersten wiegen allerdings die rechtlichen Bedenken, die der Rechnungshof anführt. Diese beruhen auf einem Widerspruch zwischen europäischen und deutschen Regelungen. Aufgabe des Absatzförderungsfonds, aus dem die CMA finanziert wird, ist ausdrücklich, die deutsche Land- und Ernährungswirtschaft gegen die Konkurrenz aus dem Ausland zu schützen. Nach dem Europarecht ist dagegen jede Werbung, die nationale Produkte bevorzugt, unzulässig. Nach einem entsprechenden Urteil des Europäischen Gerichtshofs hatte die CMA ihren Werbespruch "Qualität aus deutschen Landen" bereits gestrichen.
Der neue Slogan "Bestes vom Bauern" verzichtet auf einen Herkunftsverweis, sodass er mit dem EU-Recht kompatibel ist. Doch wenn die Werbung nicht nur deutschen Herstellern zugute kommt, so argumentiert der Bundesrechnungshof, sei es nicht zu rechtfertigen, dass nur deutsche Produzenten dafür bezahlen. "Wir haben Zweifel, ob es dem Absatzfonds und der CMA [] in Zukunft gelingen wird, den aufgezeigten Widerspruch [] aufzulösen", so die Prüfer.
Der Adressat der Kritik, das Bundeslandwirtschaftsministerium, äußerte sich auf taz-Anfrage am Donnerstag nicht zu den Vorwürfen. Der Sprecher der CMA, Detlef Steinert, sagte der taz, ihm sei das "angebliche Dilemma" bekannt, doch Zukunftssorgen plagten ihn nicht. Er verwies auf ein gegenteiliges Rechtsgutachten, das im Auftrag der CMA entstanden sei. Allerdings räumte Steinert ein, dass die CMA-Werbung "gegebenenfalls auch den ausländischen Konkurrenten zugutekommt". Georg Heidlinger, einer der Wortführer der CMA-kritischen Landwirte, ist über die Einschätzung des Rechnungshofes erfreut. "Wir sehen unsere Position voll bestätigt", sagte er. Der Breisgauer Geflügelzüchter gehört zu drei Landwirten, die dagegen geklagt haben, dass sie 0,4 Prozent ihres Warenwerts zwangsweise an die CMA abführen müssen. Nachdem das Kölner Verwaltungsgericht ihnen im vergangenen Jahr Recht gab, haben immer mehr Betriebe Widerspruch gegen die Zahlung eingelegt. Dadurch seien derzeit 70 Prozent der Mittel des Absatzfonds blockiert, berichtete der Vorsitzende des Bauernverbands, Gerd Sonnleitner, kürzlich. Weil die CMA noch hohe Rücklagen hat, läuft die Arbeit dennoch weiter; allerdings musste der Etat in diesem Jahr im Vergleich zum Vorjahr um 50 Prozent gesenkt werden, bestätigte Steinert.
Über das Schicksal der umstrittenen Kampagnen wird nun von Politik und Gerichten entschieden werden. Die Kölner Verwaltungsrichter haben das Bundesverfassungsgericht angerufen, um zu überprüfen, ob die Zwangsabgabe für die CMA mit dem Grundgesetz vereinbar ist. Und der Bundesrechnungshof wird sich, wenn seine Kritik nicht entkräftet wird, an die zuständigen Bundestagsausschüsse wenden, um die Missstände abzustellen.
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