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Wer zündete das Ehebett an?

■ Zufall oder Mord - die 28. Strafkammer mußte gestern über eine Ehefrau entscheiden, deren Mann im brennenden Bett aufwachte / Das Freispruch-Urteil erging nach dem Grundsatz „Im Zweifel für die Angeklagte“

Kurz vor Mitternacht zieht die 27jährige Italienerin Anna K. ihre drei kleinen Kinder an und verläßt mit diesen gemeinsam die Wohnung, in der der deutsche Ehemann im Bett liegt und schläft. Anna K. und die Kinder haben gerade die nächste Straßenecke erreicht, als das Ehebett lichterloh zu brennen beginnt. Der Gürtelmacher Erich K. (29) schreckt hoch, schlüpft hastig in seine Jeans, stürmt zur Nachbarwohnung und hämmert dort laut schreiend an die Tür: „Mach auf, die Alte hat mein Bett angezündet.“

Als Anna K. eine Viertelstunde später mit den Kindern zurückkommt, sind Feuerwehr und Polizei schon vor Ort. Die Italienerin wird noch auf der Straße sofort festgenommen. Sie streitet die Tat ab, kommt für wenige Stunden frei und wird dann wegen dringenden Verdachts des versuchten Mordes an ihrem Ehemann in Untersuchungshaft genommen: Bei einer chemischen Untersuchung ihrer Kleidungstücke waren Spuren einer feuergefährlichen Nitroverdünnung festgestellt worden, die mit festgestellten Nitrospuren auf dem abgebrannten Bett identisch waren.

Gestern wurde die Italienerin von der 28. Strafkammer des Landgerichts freigesprochen. Das Urteil erging nach dem Grundsatz „Im Zweifel für die Angeklagte“. Der Vorsitzende Richter Basdorf erklärte in der Urteilsbegründung, daß sich das Gericht bewußt sei, zu „90 bis 95 Prozent ein Fehlurteil“ gefällt zu haben. Die Angeklagte habe jedoch freigesprochen werden müssen, weil nicht mit letzter Sicherheit auszuschließen gewesen sei, daß der Brand eine Racheakt ihres Ehemannes sei oder aber auf Fahrlässigkeit beruhe. Der Staatsanwalt hatte sechs Jahre Haft gefordert.

Die gelernte Schneiderin Anna K. hatte die Vorwürfe bis zuletzt vehement bestritten: Unter Tränen schilderte die zierliche kleine Frau, daß sie ihre in der Karl-Marx-Straße gelegene Wohnung am 19. November nur deshalb verließ, weil sie sich mit ihrem Mann gestritten habe und deshalb noch einmal kurz „raus mußte“. Weil die Kinder aufgewacht seien, habe sie diese eben in die Pizzeria an der Ecke mitgenommen. Anna K. berichtete, daß ihr Mann sie an diesen Abend geohrfeigt habe, weil er auf den Kneipier der Pizzeria „völlig grundlos“ eifersüchtig gewesen sei. Er habe ihr gedroht, sie mit den Kindern aus dem Haus zu werfen. Dann habe er ein paar Biere getrunken und sei beim Fernsehen auf seinem Bett eingeschlafen.

Anna K. erzählte weiter, daß sie sich an dem Abend „sehr allein“ gefühlt habe. Sie beteuerte jedoch wieder und wieder, das Feuer nicht gelegt zu haben: „Ich schwöre bei meinem Glauben, daß ich noch nie mit dem Gedanken gespielt habe, meinen Mann zu töten, obwohl er mich schon so oft geschlagen hat.“ Den Brand könne sie sich nur so erklären, daß sie eine angezündete Zigarette auf der Nachttischkante habe liegenlassen, als sie ihre kleine Tochter angezogen habe. Auf die Frage des Richters, ob sie sich vorstellen könne, daß ihr Mann ihr mit dem Brand eins habe auswischen wollte, antwortete die zierliche Frau mit einem zaghaften Nicken, schob dann aber gleich hinterher, daß sie ihren Mann nicht belasten wolle: „Ich liebe ihn sehr“, sagte sie, darauf hinweisend, daß sie ihren Gatten sonst bereits schon verlassen hätte, weil sie durch die Prügel eines ihrer Kinder zu früh geboren habe.

Erich K., der sich durch das Feuer eine Brandverletzung am rechten Zeigefinger zugezogen hatte, machte vor Gericht als Ehemann der Angeklagten von seinem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch. Der Mann, dem bei dem Freispruch die Freudentränen in die Augen traten, hatte die Nitrolösung zu Hause in einem Schrank aufbewahrt, weil er sie für seine Hobbyarbeiten benötigte. Das Gericht hielt es für „außerordentlich unwahrscheinlich“, daß er der Täter war, mochte es aber auch nicht gänzlich ausschließen. Für unwahrscheinlich, aber denkbar hielt Richter Basdorf auch, daß die Nitroflüssigkeit bei den Hobbyarbeiten des Ehemanns auf das Bett und auf die Kleidung von Anna K. gelangt und der Brand durch eine Zigarette oder eine andere Fahrlässigkeit entstanden war.

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