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Wer zieht auf die Burg?

■ Cestmir Cisar kandidiert gegen Vaclav Havel für das Amt des Staatspräsidenten / Entscheidung über Aufschub am Dienstag

Berlin (taz/afp) - Zuerst sah es so aus, als hätte die Opposition in der Tschechoslowakei gegen die Kommunisten einen weiteren Teilsieg errungen. Nach Verhandlungen am „Runden Tisch“ in der Nacht zu Donnerstag hieß es, beide Seiten hätten in der Frage der Wahlmodalitäten des neuen Staatspräsidenten eine Einigung erzielt. Demnach sollte der neue Mann auf der Prager Burg vom Parlament gewählt werden und ein parteiloser Tscheche sein. Diese Voraussetzungen wären auf eine Kandidatur Vaclav Havels hinausgelaufen. Doch am Freitag hat auch Cestmir Cisar, der zur Zeit des Prager Frühlings Präsident des tschechoslowakischen Parlaments war, seine Kandidatur angekündigt. In einem Interview mit der Zeitung der kommunistischen Jugendorganisation, Mlada Fronta, erklärte er, er betrachte seine Kandidatur als „Beitrag zur Stärkung der Demokratie im Land“. Die kommunistische Jugendorganisation unterstützt Cisar. Dieser erfüllt wie Havel die beiden Bedingungen, auf die sich die politischen Kräfte des Landes geeinigt hatten: er ist parteilos und Tscheche. Cisar war von 1963 bis 1968 tschechoslowakischer Kulturminister und steht Dubcek nahe.

Über einen Aufschub der Präsidentenwahl wird das Parlament am Dienstag entscheiden. Für einen solchen Aufschub ist eine Änderung der Verfassung nötig, die die Wahl eines neuen Staatschefs innerhalb von 14 Tagen vorschreibt. Diese Frist soll auf 40 Tage verlängert werden. Husak war am 10.Dezember von seinem Amt als Präsident zurückgetreten. Die politischen Organisationen des Landes hatten sich in der Nacht zum Freitag darauf geeinigt, die Wahl von Husaks Nachfolger um mehrere Wochen zu verschieben.

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