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Wer paßt sich alten Normen an?

■ betr.: „Pluralität ist Trumpf“ von Günter Dworek, taz vom 14.7. 97

Wir können sie nicht mehr hören! Die scheinbar überwältigenden Argumente für die Homo- Ehe. Auch in der taz müssen wir sie uns zum x-ten Mal anhören, werden sie doch in einem Maße strapaziert, daß sie zum festen Bestand der Political Correctness gehören.

Mag Günter Dworek recht haben mit der Feststellung, homosexuelle Lebensweisen würden rechtlich nur geduldet, so heißt dies nicht, daß gute Gründe wie das „Ausnutzen der derzeitigen Toleranz“ der schwulenpolitischen „Elite“ das Recht gibt, die Homo- Ehe zum alles überragenden Objekt einer profilierungsbewußten Politik zu machen.

Abgesehen von den neu geschaffenen Abhängigkeiten, die (auch) eine Homo-Ehe (auch unter InländerInnen) verursacht, sollte doch vor konkreten politischen Forderungen nachgedacht werden, ob die Einrichtung „Ehe“ das geeignete Instrument für Homo-Politik sein kann. Sehr wahrscheinlich haben nicht nur wir die Ehe als ein Symbol für den kleinbürgerlichen Horror erlebt, die nicht nur ungeeignet ist, verschiedene Lebensformen berücksichtigen zu können, sondern auch Instrument für diskriminierende Familienpolitik war und bleiben wird, nur mit dem Unterschied des größeren personellen „Wirkungsraumes“.

Von den Heteros lernen heißt siegen lernen!? „Eine Bürgerrechtsbewegung (...) will die Rahmenbedingungen dafür schaffen, daß Schwule ihr Leben selbstbestimmt entwickeln können (...), frei von Anpassungsdruck an alte Normen.“ Wer paßt sich alten Normen an?

Wie steht's mit den Eheerfahrungen, die nicht als romantisch und treusorgend zu bezeichnen sind? Nicht das wir Zeremonie und rechtliche (Fast-)Gleichstellung verhindern wollen (schließlich bekommt man von G.D. schon viel früher den identitätsstiftenden Außenseiterstatus), aber ist das plakative In-den-Mittelpunkt- Stellen nicht anbiederisch und unsensibel zugleich? Die Entprivilegierung der Ehe und ein Antidiskriminierungsgesetz wird an die Homo-Ehe angehängt, doch macht es für uns nur umgekehrt Sinn und versetzt vielleicht weniger Lesben und Schwule in angstvolle Ekelzustände. Christoph Grewe,

Ralf Lottmann, Bremen

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