: Wer ist der Präsident von Nigeria?
■ Militärherrscher Babangida tritt scheibchenweise zurück
Abuja/Lagos (AFP/dpa/taz) – Gestern, am Tag des angekündigten Rücktritts von Nigerias Militärmachthaber General Ibrahim Babangida, herrschte weiterhin Ungewißheit über die weitere politische Entwicklung. Eine als „Abschiedsrede“ apostrophierte Ansprache, in der Babangida seinen Rücktritt vom Amt des Präsidenten erklären und Einzelheiten der Zusammensetzung der geplanten „Interimsregierung“ bekanntgeben wollte, war in der Nacht zuvor kurzfristig auf den Donnerstag abend verschoben worden. Statt dessen gab Babangida bei einer Militärparade in der Hauptstadt Abuja seinen Rücktritt vom Amt des Oberbefehlshabers der Streitkräfte bekannt. Nach vom Militär bestätigten Presseberichten will Babangida völlig aus der Armee ausscheiden, womit er dann zukünftig als „ziviler“ Politiker auftreten könnte.
Die zuvor von der Regierung in Aussicht gestellte Machtübergabe an eine zivile Übergangsregierung wurde bis zum Mittag nicht offiziell bestätigt. Eine Sitzung des Abgeordnetenhauses, das dem Plan Babangidas zustimmen sollte, war wie bereits in der Woche zuvor nach Tumulten abgebrochen worden.
An der Parade auf dem „Ibrahim-Babangida-Platz“ in Abuja nahmen auch die Armeeführung und ausländische Diplomaten teil. Insgesamt waren mehr als 10.000 Zuschauer anwesend. Eine geplante Fernsehübertragung wurde jedoch nach Angaben des staatlichen Rundfunks wegen „technischer Probleme“ abgesagt. Mehrere Mitglieder des Senats und des Abgeordnetenhauses hatten zuvor angekündigt, sie wollten die Zeremonie boykottieren.
Der staatliche Rundfunk rief die Bevölkerung erneut, wie bereits an den Tagen zuvor, zur Ruhe auf. Der mächtige nigerianische Gewerkschaftsbund NLC hatte zuvor zu einer Kampagne des zivilen Ungehorsams aufgerufen, die in der Nacht zum Donnerstag ausgeweitet werden sollte. Ab Samstag will der NLC seine 3,5 Millionen Mitglieder zum landesweiten Generalstreik aufrufen, ob Babangida vorher zurücktritt oder nicht. Die Gewerkschaften und die Bürgerrechtsbewegungen Nigerias, deren Führungsmitglieder zum Teil im Gefängnis sitzen, werfen dem Präsidenten Verfassungsbruch vor und bezweifeln, daß die Militärs tatsächlich auf die Macht im Staat verzichten wollen. Sie fürchtet, daß trotz der angekündigten Machtübergabe an eine zivile „Interimsregierung“ die eigentliche Macht in den Händen der Militärs bleibt. Zahlreiche wichtige Entscheidungen sollen nach den Plänen des Staatschefs einem übergeordneten Militärrat vorbehalten werden. Präsident der Interimsregierung, die aus fünf Soldaten und acht Zivilisten bestehen und per Dekret regieren soll, könnte nach Presseberichten Ernest Shonekan werden, der bereits seit Jahresbeginn Premierminister eines „Übergangsrates“ ist.
Die Opposition verlangt ferner die Veröffentlichung der Ergebnisse der Präsidentschaftswahlen vom 12. Juni. Nach diesem Wahlgang, der von der Militärregierung annulliert wurde, hatte sich der Kandidat der Sozialdemokratischen Partei (SDP), Moshood Abiola, zum Sieger erklärt. Abiola hält sich seit einiger Zeit im Ausland auf. Eine geplante Rückkehr nach Nigeria, um dort eine eigene Regierung zu bilden, hat er mittlerweile aus Furcht um seine Sicherheit abgesagt.
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