: Wer besticht wen? — ein kleiner Skandalführer
■ Keine „Sache der Vergangenheit“: Alte und neue Affären bringen Premierminister Miyazawa in Bedrängnis
Als Premierminister Kiichi Miyazawa vor drei Monaten sein Amt antrat, nannte er den Aktienbestechungsskandal um die Firma Recruit Cosmos eine Sache der Vergangenheit. Wenig später brachten Japans Oppositionsparteien neue Vorwürfe vor: Miyazawa habe nicht alle Daten über seine Verwicklung in den Recruit-Cosmos-Skandal veröffentlicht. Darauf folgten die Enthüllungen um die Schmiergelder der Stahlfirma Kyowa, mit denen Mitglieder der Miyazawa-Fraktion im Parlament bestochen wurden. Zuletzt erschütterte ein weiterer Skandal, die Sagawa-Kyubin-Affäre, die ohnehin angeschlagene Regierung. Im Gewirr der Skandale verlieren selbst routinierte Kenner der japanischen Polit-Szene leicht den Überblick. Hier eine Orientierungshilfe:
Die Recruit-Affäre
Zwischen 1984 und 1987 versuchte das Immobilienunternehmen Recruit Cosmos, firmeneigene Aktienanteile an die Mitarbeiter hoher Politiker zu verkaufen, noch bevor die Aktien an der Börse eingeführt wurden. Waren die Aktien einmal eingeführt, konnten sie mit großem Profit verkauft werden. Zwei Parlamentsabgeordnete wurden in der Recruit-Affäre vor Gericht angeklagt. 1988 trat Miyazawa als Finanzminister zurück, weil auch sein Büro mit Recruit-Aktien gehandelt hatte. Ein Jahr später mußte auch Premierminister Noboru Takeshita sein Amt niederlegen.
Der Recruit-Skandal führte zu einer verheerenden Niederlage der Regierungspartei bei den Oberhauswahlen 1989. Anschließend rettete der neu berufene Regierungschef Toshiki Kaifu die Partei vor der Niederlage bei den entscheidenden Unterhauswahlen 1990. Doch im November 1991, als der Skandal vergessen schien, löste Miyazawa den in der Partei machtlosen Kaifu ab.
Die Kyowa-Affäre
Kaum war Miyazawa im Amt, mußte der Generalsekretär seiner Fraktion, Fumio Abe, im Dezember 1991 zurücktreten. Die Staatsanwaltschaft, die Abe im Januar für zehn Tage festnahm, beschuldigte den Miyazawa-Intimus, Bestechungsgelder in Höhe von 1,3 Millionen Mark von der inzwischen bankrotten Stahlfirma Kyowa erhalten zu haben. Außerdem vermuten die Gesetzeshüter, daß Abe annähernd sieben Millionen Mark von Kyowa in die Fraktion weiterleitete. Davon soll nicht zuletzt auch der ehemalige Premierminister Zenko Suzuki profitiert haben. Er gab zu, eine Summe von zirka zwei Millionen Mark von Abe für die Präsidentschaft in einem Golfklub von Kyowa angenommen zu haben.
Die Sagawa-Kyubin-Affäre
Im jüngsten aller Skandale geht es um die weitaus höchsten Geldsummen. Die Staatsanwaltschaft vermutet, daß der inhaftierte Chef der Tokioter Sagawa-Kyubin-Filiale, Hiroyasu Watanabe, Kredite seiner Firma über sieben Milliarden Mark veruntreut hat. Sagawa Kyubin ist ein landesweit mit der Post konkurrierender Paketdienst. Mit den falschen Krediten erschlich sich Sagawa Kyubin die Hilfe der japanischen Yakuza-Gangster, die störrische Grundstücksbesitzer bei der Einrichtung neuer Lastwagendepots vertrieben. Zudem gelangte ein Teil des Geldes zurück in die Hände von Watanabe, der es seinerseits an Politiker weitergab. Sowohl Regierungs- wie Oppositionspolitiker nahmen die Bestechungsgelder des Pakethändlers an. Noch im März könnte die Staatsanwaltschaft die Liste der Politiker veröffentlichen, die Watanabe regelmäßig betreute. Zwischen 130 und 280 Namen von Empfängern sind im Gespräch.
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