: Wenn es unerwartet freundlich zugeht
Warten am Münchner Hauptbahnhof. Mein 400-Seiten-Buch „Die Stadt der Anderen“ beschreibt auf erschreckende Weise Schicksale von Obdachlosen in São Paulo. Sie werden von Behörden und Polizei grausam behandelt, beschimpft und auch umgebracht.
Der Warteraum ist nur für Reisende. Der junge Mann mit Rucksack sieht auf den ersten Blick unverdächtig aus. Auf den zweiten verraten ihn sein schlurfender Gang und das Tetrapak mit Roséwein. Er setzt sich neben zwei Frauen um die 60.
„Ich vermisse meine Mama so. Ich habe sie so lieb. Und ich war so böse zu ihr“, sagt er und blickt dabei die Damen neben ihm an. „Kann ich mit Ihrem Telefon meine Mama anrufen?“
Münchens Hauptbahnhof, rund 450.000 Fahrgäste täglich, ist nach dem Hamburger und dem Frankfurter Hauptbahnhof der am drittstärksten frequentierte Fernbahnhof der Bahn.
Oje, denke ich, das geht nicht gut. Falsch gedacht. Sie versuchen, mit ihm die Mama anzurufen (aber er hat die Nummer nicht im Kopf), kaufen ihm Essen, (isst er nicht, weil er sich kaum wach halten kann). Sie sprechen fürsorglich mit ihm, erkundigen sich, wie sie ihm sonst helfen können und laden sein Handy an der nächsten Steckdose auf. Er bedankt sich mehrmals schüchtern. Ob’s ein Happy End gab? Weiß ich nicht. Muss weiter. Elke Eckert
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen