: Wenn es halt doch auch um Zuspruch geht
Eine Jungenstimme schallt über den Platz. „Schlampe, Fotze!“, ruft sie. Gerade hatte ich mich in mein Buch vertieft. Gilt die Beleidigung mir? Ich drehe den Kopf, eine Gruppe Jugendlicher läuft hinten von dem etwas zurückgesetzt liegenden Café auf den Vorplatz vom Rondell am Mehringplatz. Einer der Jungen ist dabei, den Rufer zu beschwichtigen. „Lass das doch, was soll das, so zu reden“, sagt er. Er ist etwas kleiner und ein bisschen rundlicher als seine Kumpel. Ich lese weiter. Der Mehringplatz ist problemgeschüttelt. Die Angebote für junge Menschen hier reichen nicht aus gegen deren Langeweile.
Als ich wieder aufblicke, steht eine Polizistin bei den Jungen. Scheinbar galten die Schimpfwörter ihr. Ein männlicher Kollege konfrontiert die Jugendlichen. Würden sie wollen, dass mit ihren Müttern und Schwestern so geredet würde, fragt er.
Berlin-Kreuzberg
151.400 Einwohner*innen. Der Mehringplatz ist nicht gerade die friedvollste Gegend im Ortsteil. Als „kriminalitätsbelasteter Ort“ wie etwa das nahe Kottbusser Tor wird er aber nicht geführt.
In meiner Nähe steht der Junge, der seinen Kumpel ermahnt hatte. „Ich habe gehört, wie du widersprochen hast“, sage ich. „Das finde ich stark. Viel mehr müssten das so machen.“ Danke, sagt er. „Wenn sie uns verhaften, dann können sie mich vielleicht verteidigen. Und meine Zeugin sein.“ Uta Schleiermacher
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