: Wenn ein falscher Zug den Sonnenplatz verschafft
Er trommelt nervös mit den Fingern auf den Tresen, der Mann, der am Schalter im Bahnhof Doberlug-Kirchhain wartet. Der etwa Fünfzigjährige trägt einen schwarzen Anzug, er hält einen Aktenkoffer in der Hand, um seinen Hals hängt ein Namensschild. „Ich habe in Berlin-Südkreuz den falschen Zug genommen, ich wollte zum Flughafen BER“, sagt er in einem Atemzug, sobald eine Bahnangestellte auftaucht. Sie erklärt ihm, dass er zurück nach Südkreuz fahren müsse. Der Zug komme erst in 40 Minuten, sagt sie dazu.
Der Mann bedankt sich und entdeckt dann die historischen Postkarten in einer Ecke des Schalterraums, der auch als touristisches Infocenter dient. Er möchte eine davon und den Schlüssel zur Toilette haben. „Muss ich ihn zurückbringen?“, fragt er. „Wäre gut“, antwortet sie lächelnd.
Doberlug-Kirchhain
8.400 Einwohner*innen.
In der brandenburgischen Stadt kreuzen sich in dem 1875 eröffneten Etagenbahnhof die Strecken Halle–Cottbus (unten) und Berlin–Dresden (oben).
Einige Minuten später wirft der Mann Kleingeld in den Kaffeeautomaten und geht mit großen Schritten und einem Pappbecher hinaus zum Bahnsteig. Er setzt sich auf eine Fensterbank in der Sonne. „Den Flug verpasse ich sowieso“, murmelt er vor sich hin und lässt seinen Aktenkoffer fallen. Luciana Ferrando
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