Wenn die großen Pötte kommen: Rekordschiff auf Hamburg-Kurs
Nächsten Mittwoch läuft das weltgrößte Containerschiff den Hamburger Hafen an. In einem Simulator wird das Anlegen geübt. Denn eigentlich ist es zu groß für die Elbe.
HAMBURG taz | Das war es dann wohl mit dem Museumshafen Övelgönne. Langsam verschwindet der beliebte Ausflugsort in Altona am Nordufer der Elbe unter dem Bug des Containerschiffs. Die „CMA CGM Marco Polo“ wird im Hamburger Hafen von drei Schleppern gedreht, um rückwärts an den Kai gelegt zu werden. Das Problem: Mit 394,4 Metern Länge ist die „Marco Polo“ der weltgrößte Frachter – und fast genau so lang wie die Fahrrinne der Elbe breit ist. Der Riesenpott muss also exakt auf dem Punkt gedreht werden, sonst rauscht er links auf den Strand oder rechts in den Containerterminal am Burchardkai.
Um eben solchen Ärger zu vermeiden, wird seit einem Jahr geprobt in einem Simulator in Hamburg. Im „Marine Training Center“ am Altonaer Volkspark steht in einem großen runden Saal ein Duplikat der Brücke der „Marco Polo“.
Hier oben, fast 50 Meter über dem Wasserspiegel, führt Tim Grandorff, als Ältermann der oberste Hamburger Hafenlotse, das virtuelle Kommando über das Schiff und drei Schlepper, Hunderte Meter Containerreihen, Hamburg und der Hafen werden zentimetergenau auf die Wände projiziert. Denn tatsächlich kommt der Riese erst nächsten Mittwoch, und da darf nichts schiefgehen.
Die „Marco Polo“ ist das erste Containerschiff der neuesten Generation (siehe Kasten), Dutzende weitere werden in den nächsten Jahren vom Stapel gelassen. Bis zu 16.000 Standardcontainer (TEU) kann der Frachter tragen – zu viel für die Elbe.
Nur etwa halb beladen wird die „Marco Polo“ nächste Woche eintreffen, und deshalb weist Hamburgs Wirtschaftssenator Frank Horch (parteilos) zum wiederholten Mal darauf hin, wie „unverzichtbar für Hamburg und ganz Norddeutschland“ die nächste Elbvertiefung sei, die vorerst vom Bundesverwaltungsgericht gestoppt wurde. Voll beladen hat der Riese einen Tiefgang von 16 Metern, die Fahrrinne der Elbe erlaubt aber nur 13,50 Meter, und auch das nur bei Hochwasser.
Für Hamburg steht nächsten Mittwoch also viel auf dem Spiel. Wenn die „Marco Polo“ nicht sauber und ohne Komplikationen an den Liegeplatz kommt und Stunden später wieder in See stechen kann, könnten einige Reedereien auf die Idee kommen, die Hansestadt nur noch mit mittelgroßen Frachtern anzulaufen. Der tiefe Fall vom Welt- zum Regionalhafen würde drohen.
Doch Cheflotse Grandorff ist gewiss, „dass wir das Schiff gut rein und auch wieder raus bekommen“. Die Simulation am gestrigen Mittwoch zumindest klappte, weder Schiff noch Kai bekamen Schrammen. Und der Museumshafen Övelgönne blieb auch unversehrt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Umfrage zu Sicherheitsgefühl
Das Problem mit den Gefühlen
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
„Freiheit“ von Angela Merkel
Die Macht hatte ihren Preis
Deutschland braucht Zuwanderung
Bitte kommt alle!
Gewalt an Frauen
Ein Femizid ist ein Femizid und bleibt ein Femizid