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Wenn der Teufel am Detail dreht

■ Die hohen Benzolwerte, die 1993 angeblich in den Städten Baden-Württembergs gemessen wurden, sind gefälscht - vom Laborleiter, der seine Doktorarbeit aufpeppen wollte / Grüne: Werte trotzdem hoch

Stuttgart (taz/AP) – Die hohen Benzolwerte, die 1992 und 1993 in mehreren Städten Baden-Württembergs gemessen wurden, waren zum Teil erheblich gefälscht. Umweltminister Harald Schäfer (SPD), der damals die Kommunen zum sofortigen Handeln aufgefordert hatte, sprach gestern in Stuttgart von „einem Ganovenstück auf dem Rücken des Umweltschutzes“. Als Ganove wurde der Laborleiter der Karlsruher Gesellschaft für Umweltmessungen und Umwelterhebungen mbH (UMEG) enttarnt. Der Mann hatte die Unterlagen der Meßergebnisse manipuliert und damit um etwa 30 bis 50 Prozent höhere Benzolwerte vorgetäuscht. Er habe damit seine Doktorarbeit schönen wollen, sagte Schäfer.

Als besonders schlimm bezeichnete es der SPD-Politiker, daß der Laborleiter trotz bohrender Überprüfungen bis zuletzt geschwiegen habe. Auf die Spur des Fälschers in den eigenen Reihen kam die UMEG – ein Unternehmen, das mehrheitlich im Eigentum des Landes Baden-Württemberg ist und Messungen durchführt – schließlich selbst, als 1994/95 ein zweites Meßprogramm aufgelegt wurde. Erste Testergebnisse hätten plötzlich 30 bis 50 Prozent geringere Benzolwerte ergeben. Erklärungsversuche des Laborleiters, der eine stärkere Nachrüstung der Autos mit Katalysatoren, meteorologische Einflüsse oder andere Verkehrsführungen an den Meßpunkten angeführt habe, seien wenig überzeugend gewesen.

Wie Schäfer mitteilte, hatte sein Ministerium 1992 mit Blick auf die in diesem Jahr in Kraft tretende Schadstoffverordnung des Bundes ein zunächst einjähriges Benzolmeßprogramm gestartet. Vor allem sollten die Werte in Häuserschluchten an vielbefahrenen Straßen gemessen werden, um Datenmaterial für die Umsetzung der neuen Verordnung zu erhalten. Nach der soll für Benzol der Grenzwert 15 Mikrogramm und ab 1998 zehn Mikrogramm gelten, ab dem die Behörden Verkehrsbeschränkungen anordnen können. Benzol ist ein leichtflüchtiger Stoff, von dem schon ein einziges Molekül Krebs auslösen kann.

Die Ergebnisse des Meßprogramms, die im Herbst 1993 veröffentlicht wurden, übertrafen laut Schäfer „die schlimmsten Befürchtungen“. Es seien Jahresmittelwerte von sechs bis 46 Mikrogramm, an innerstädtischen Hauptverkehrsstraßen in den Wintermonaten sogar über 60 Mikrogramm im Monatsdurchschnitt ermittelt worden. Die Grünen im Stuttgarter Landtag warnten davor, die Gesundheitsgefährdung durch Benzol jetzt herunterzuspielen. Auch wenn die tatsächlichen Werte geringer seien, seien sie immer noch extrem hoch.

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