■ Wenn SPD und CDU sondieren: Nur der Brockhaus hilft
Der SPD-Landesschatzmeister muß es wohl geahnt haben, daß seine Partei in diesen Tagen selbst bei hartgesottenen Politprofis für allerlei Irritationen sorgt. Als die CDU beim gestrigen Spitzentreffen nachfragte, was denn bitte schön unter den vielbeschworenen „Sondierungsgesprächen“, die ja keine Verhandlungen sein sollen, zu verstehen sei, schlug Klaus-Uwe Benneter kurzerhand den Brockhaus auf. Von „vorsichtigem Abtasten“ war da unter anderem die Rede. Was prompt einen Teilnehmer der Runde zum Zwischenruf veranlaßte, wenn man „zu vorsichtig“ sei, komme man aber auch „nicht vorwärts“.
Sie waren schon zu bedauern, die 23-Prozent-Leichtgewichte, die gestern ins Abgeordnetenhaus zogen. Die Fassade der Hartgesottenen, die sich die SPD-Spitzen für die Kameras verordnet hatten, rissen sie hinter verschlossenen Türen prompt wieder ein. Kaum saßen sie ihrem Koalitionspartner gegenüber, begannen Stahmer und Co. über den „Diffamierungs-Wahlkampf“ der Union zu jammern. Das war's denn aber auch. Statt mit konkreten Vorschlägen zu reizen – und so einen Teil der Meinungsführerschaft zurückzugewinnen – scheint die SPD nahtlos an ihren Kuschelwahlkampf anschließen zu wollen. Da mag der SPD-Fraktionssprecher Hans-Peter Stadtmüller gestern von „gereizter Atmosphäre“ sprechen – es klang eher wie der hilflose Versuch, dem inhaltlich völlig belanglosen Treffen eine Dramatik zuzuschreiben, die niemand außer die Genossen selbst zu entdecken vermochte. Es scheint, als merke die Partei gar nicht, wie sehr sie durch ihr eigenes Zutun das Bild der Mimose in der Öffentlichkeit weiter verfestigt. Schlimmes ist für die nächsten Treffen zu befürchten. Wer so mit sich selbst beschäftigt ist und für das eigene Versagen am liebsten die anderen haftbar machen möchte, dem traut man kaum zu, über den Tellerrand der Partei in die Stadt hineinzublicken. Severin Weiland
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