Wenn Frauen zu sehr Rommé spielen

■ Ein Abend im Leben von fünf Damen, die lieber anonym bleiben möchten   Von Fanny Müller

Skat und Doppelkopf ist ja mehr was für Männer. Obwohl ich Sprüche wie „Karo heißt mein Hühnerhund“ und „Hinten kackt die Ente“ auch sehr reizvoll finde. Aber haben Sie als Frau schon mal versucht, bei diesen Spielen „Sag mal, wo hast Du eigentlich diesen süßen Pullover her?“ einzuwerfen? Männer spielen, wenn sie spielen. Frauen schätzen ein geselliges Beisammensein mit Schnittchen und vielen verschiedenen Themen und können dabei auch Karten in der Hand halten. Wenn sie es noch können.

Bei unserem ersten Rommé-Damenabend erschien B. schon reichlich angeheitert, weil in der Firma irgendwas gefeiert worden war. Nun muß man bei Rommé nicht so aufpassen. Aber man muß doch wissen, ob man bereits eine Karte vom Stapel genommen hat oder nicht.

Sich zuschütten ist eine Sache, aber dann noch Widerworte haben, eine andere. „B., du mußt noch eine nehmen.“ „Habbich schon“. „Hast du nicht“. „Wohl“. Na gut, dann nimmt sie eben keine. Können Sie sich das bei einer Männerrunde vorstellen? Oder daß man eine Karte ablegt, dann „Scheiße! Die wollte ich doch behalten!“ schreit, und man darf sie wieder zurücknehmen?

Aus Rücksicht auf B.s Zustand wird die Schnittchenpause schon frühzeitig eingeläutet. Es nützt nichts. Jetzt behauptet sie, daß wir ihr in die Karten gucken – was stimmt – und spielt mit dem Kopf auf den Knien und den Karten in Knöchelhöhe. Trotzdem flattern immer wieder ein paar auf den Teppich. „Herr Ober, die niedrigen Stühle“, lallt sie. Unterm Tisch liegt ihr Weinglas, den Inhalt hat sie mit ihrer Socke aufgewischt.

Inzwischen haben auch wir anderen zügig dem Weißwein und dem Dunkelbier zugesprochen. J. erfreut uns mit einem Potpourri aus „Leb' wohl, mein kleiner Gardeoffizier“ und anderen Liedern, die meist auf „Rotfront! Rotfront!“ enden, was wir dann alle mitsingen. Sie hätte bei ihren Nachbarn noch was gut, behauptet Gastgeberin S.; die würden schon nicht die Polizei holen.

Gegen Mitternacht entflammt ein Streit. R. hatte die Buchführung übernommen und macht einen Zwischenbericht (Erste Siegerin, zweite Siegerin...). „Das kann nich angehn!“ „Nie im Lehm habbich 800 Miese!“ Es läßt sich nicht mehr nachprüfen, weil sie die Zahlen im Kopf addiert und jeweils eine neue Summe eingetragen hat. R. weist zurück, daß sie als anerkannte Legasthenikerin nicht nur Buchstaben, sondern auch Zahlen verdreht.

Ein Versöhnungstrank ist jetzt angebracht. Weißwein ist alle, nun kommt der Eierlikör, auf den S. bestanden hatte, auf den Tisch. Ein Damentreffen ohne Eierlikör hat es ihrer Meinung nach irgendwie nicht. Stimmt. B. wankt in die Küche. „Ich glaub, ich muß mal brechen“. Das Regal mit den Grundnahrungsmitteln geht dann auch zu Bruch. Wir zanken solidarisch, welche von uns die beste Haftpflichtversicherung hat.

Ein Taxi wird bestellt. J. fällt dem Fahrer in die Arme: „Mein Mädel ist nur eine Verkäuferin“, brüllt sie, „in einem Schuhgeschäft, mit zwanzig Francs Salär in der Woche, doch sie liebt mich ...“. Wir entschuldigen uns, doch er winkt ab: „Ich bin Taxifahrer. Ich habe schon viel Elend gesehen“.

Ich taumele zu Fuß nach Hause. Unterwegs überholen mich zwei Punks: „Na, Mutti, auf'n Swutsch gewesen?“. Was man sich als Dame, die sich nur mal kurz amüsiert hat, alles gefallen lassen muß!

Nächste Woche ist der Rommé-Abend bei mir. Ogottogott, ich hab im Flur gerade einen neuen Teppich verlegt: Ich könnte hinterher natürlich ausziehen, aber wohin?