Ich bin selbst ein Adoptivkind und mit diesem Wissen aufgewachsen. Anders als im Fall der "Jana Michels" wurde ich anonym adoptiert. Auch ich hatte immer mit Unverständnis zu kämpfen, allerdings nicht von Erwachsenen, sondern von Mitschülern und Freunden. Selbst mein Verlobter kann nicht verstehen, wie ich meine Adoptiveltern als meine "richtigen" Eltern sehen kann. Oft wurde ich, vor allem in jüngeren Jahren, von Mitschülern gefragt, ob ich meine Eltern nicht vermissen würde. "Wie denn?" habe ich gefragt, "ich kenne sie doch gar nicht". Das war vielen unbegreiflich.
Trotzdem denke ich, dass "Jana Michels" eine gute Entscheidung getroffen hat. Ein Kind großzuziehen, dass man eigentlich gar nicht haben will, führt unweigerlich zu Problemen. In meinem Fall ist es so, dass ich von meinen Adoptiveltern die gleiche Liebe bekomme, wie alle anderen Kinder, die bei ihren leiblichen Eltern aufgewachsen sind. Die Vorstellung in einer Familie aufzuwachsen, in der man nicht erwünscht ist, ist für mich ein Gräuel.
Andererseits plagt natürlich auch mich die Frage nach dem Warum. Ich bin alt genug, dürfte aufs Jugendamt gehen, um meine Erzeuger zu suchen. Es wäre doch interessant zu wissen, weshalb ich nicht "gewollt" war. Oder konnten meine Erzeuger mich nicht großziehen? Waren sie vielleicht schon sehr alt, als ich auf die Welt kam? Oder war es ihnen finanziell nicht möglich? Der einzige Grund, weshalb ich mich noch nicht auf die Suche begeben habe, ist der, dass alles gut so ist, wie es ist. Ich bin aufgewachsen, wie jedes andere Kind auch, nur mit dem Unterschied, dass meine Eltern nicht meine Erzeuger sind. Manchmal frage ich mich, wo denn da das Problem liegt. Ich glaube, das Problem liegt darin, dass in unsrer Gesellschaft die "heile Welt" so hochgehalten wird. Da passt eine Adoption nicht ins Bild. Menschen, die meinen, sie wären berechtigt, alle Gründe und Hintergründe, Gefühle und Gedanken eines Elternpaares, bzw. Elterteils, das ein Kind zur Adoption freigibt, zu erfahren, sind nur krampfhaft daran orientiert, das Bild der "heilen Welt" aufrecht zu erhalten. Sie tun mir leid, denn eine Adoption ist nichts Schlimmes, wenn sie zum Wohle des Kindes geschieht. Ich bleibe dabei: Es ist gut so, wie es ist!
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