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■ Weniger Wahlwerbung Möllemann – mehr über den Israel-Palästina-KonfliktPure Wahlwerbung

betr.: „300 neue Möllemänner“, taz vom 4. 6. 02 u. a.

Ich finde, dass beide Seiten überziehen. Auf der einen Seite der Zentralrat der Juden, der Kritik an Scharons Regierungspolitik pauschal mit der moralischen Keule des Antisemitismus niederschlagen will. Der Zentralrat der Juden vertritt die Juden in Deutschland, eine israelische Botschaft und eine Vertretung der israelischen Regierung sowie der Likud-Partei gibt es schon. Ein gesundes Maß auch an Distanz täte hier vielleicht gut.

Schlimmer noch ist jedoch dieses unsägliche Getue des Herrn Möllemann, der als Anwalt des Biedermanns in Deutschland auftritt, um die Meinungsfreiheit zu verteidigen. Die Diskussion ist im Prinzip schon richtig, es bestand bisher ein, auch von dieser Bundesregierung gepflegtes, Tabu, israelische Regierungspolitik zu kritisieren.

Wer blindwütig Häuser niederwalzen lässt, wer die Palästinenser beim Wasser knapp hält, bei gleichzeitigen regelmäßigen Selbstmordanschlägen der palästinensischen Extremisten, muss sich Kritik an der Wirksamkeit ebenso wie an seiner moralischen Legitimation zu solchem Vorgehen gefallen lassen.

Dass jedoch der arabische Lobbyist Möllemann mit dieser Diskussion Stimmen der Leute einfängt, die im Allgemeinen etwas gegen die Juden haben, und dies mit Sicherheit in sein Kalkül mit einbezieht, entzieht der Diskussion zum einen die Berechtigung, zum anderen die Legitimation über den reinen Showeffekt hinaus. Die FDP bleibt im Gespräch, und das ist ja wohl das Einzige, was deren Repräsentanten wichtig ist. ADRIAN DILL, Mainz

Es ist für mich unverständlich warum die taz Möllemanns 18-Prozent-Kurs unterstützt. Möllemann auf Seite 1, vor allem das Bild Möllemanns mit seinen 18-Prozent-Brillen, ist pure Wahlwerbung. Möllemann ignorieren, oder zumindest auf Seite 7 verbannen, ist das Gebot der Stunde, um zu verhindern, dass auf Grund der Gratiswahlwerbung der Medien Möllemann wirklich noch 18 Prozent macht. FRANZ KLUG, München

Ich schäme mich. Und das liegt nicht an den Äußerungen eines Jürgen Möllemann oder an einem ungelesenen Buch eines Martin Walser – nein, es liegt an der Stimmung in den verschiedenen Talkshows, die man zu diesen Themen zu sehen und hören bekommt. Immer mehr wird offen gelegt, wie leichtfertig das Publikum mit unserer Vergangenheit umgeht. Möllemann scheint erschreckenderweise auf einen fruchtbaren Boden getroffen zu sein, und dafür schäme ich mich. Ich habe Angst. Dies wiederum liegt daran, dass es nun salonfähig zu sein scheint, mit entsprechenden Begründungen sich auch für Äußerungen am rechten, antisemitischen und rassistischen Rand nicht mehr schämen zu müssen.

Da halte ich es eher mit einem Satz von Michel Friedman, der sagte: Es ist richtig, dass die Gedanken frei sind, doch antisemitische und rassistische Gedanken dürfen gar nicht erst gedacht werden und sind von der Gedankenfreiheit ausgeschlossen, da sie gegen unsere Menschenrechte und die Würde eines jeden Menschen verstoßen. […] SERGEJ MARX, Berlin

Anstatt uns in epischer Breite am lächerlichen Debakel der FDP teilhaben zu lassen, die sich offenkundig nicht entscheiden kann, ob sie liberal oder rechtspopulistisch sein will, sollten Sie sich vielleicht wieder den wesentlichen Dingen im Israel-Palästina-Konflikt zuwenden:

Studenten können nicht studieren, Lehrer nicht unterrichten, Kranke nicht behandelt werden. Die israelische Besatzungsarmee zerstört die Lebensfähigkeit des palästinensichen Volkes, produziert dabei immer mehr willige Selbstmordattentäter, junge Menschen, die nicht etwa einer Gerhirnwäsche unterzogen wurden, wie oberflächliche Kolumnisten in zum Beispiel der Stuttgarter Zeitung schreiben, sondern junge Menschen, die nichts, aber auch gar nichts außer einem perspektivelosen, wenn nicht gar menschenunwürdigen Leben zu verlieren haben.

RTA AMER MAHMUD, Aichtal

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