: Wenig aufregend
betr.: „Einfach verkalkuliert“, taz.mag vom 12. 3. 04
Götz Alys Thesen zu „Hitlers Volksstaat“ lassen sich auch simpler als über J. Adam Tootzes Kostenrechnung kritisieren: So einige Nachkriegsdeutsche hielten den Nazis zugute, dass sie die Arbeitslosigkeit beseitigt, KdF-Urlaub ermöglicht, ein Winterhilfswerk eingerichtet hätten usw. Von daher ist Götz Alys Erkenntnis, der nationalsozialistische sei auch so was wie ein Sozialstaat (= Sozialismus?) gewesen, wenig aufregend.
Nun mag die Oma erzählen, „selbst während des Krieges hatten wir genug zu essen. Dass der Opa ohne Beine und mein Bruder überhaupt nicht zurückgekommen ist, nachdem sie uns immer schön Butter geschickt hatten, war allerdings traurig. Aber uns einfachen Deutschen ging es gut“, wie auch der Professor Aly sagt. Ihr absurdes Schlussurteil kriegt die gute Frau nur hin, indem sie den Krieg als Schicksal, schlechtestenfalls als vermeidbaren Irrtum des Führers wegsteckt. In seinem genüsslichen Bemühen, der Linken eins auszuwischen, denkt Aly gar nicht daran, solch nationalistischen Standpunkt zu kritisieren, sondern vollzieht ihn geradezu verständnisvoll nach. Dabei war es alles andere als geheim, dass die Nazis unter dem Motto „Du bist nichts, dein Volk ist alles“ die Volksgenossen zum Kriegsvolk und nach dem „Endsieg“ zum germanischen Herrenvolk trimmen wollten. Aber es scheint ein generelles Problem gängiger Sozialstaatsbetrachtung zu sein, dass sie die beiden Seiten der Medaille – soziales Fördern und rabiates nationales Fordern – gern auseinander schneidet. KLAUS PRIESUCHA, Oldenbur