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Wem nützt was: Tolerierung oder Neuwahl

■ Wahl von CDU-Senatoren wäre einfach zu lösen, Finanzen würden abgesprochen

Eine „Entscheidung zwischen Pest und Cholera“ wird es selbst nach den Worten der Sozialdemokraten sein: die Wahl zwischen Großer Koalition und Opposition. Was aber bedeutet Opposition durch Tolerierung eines CDU- Minderheitssenats?

Für die Wahl neuer Senatoren reicht die Mehrheit der abgegebenen Stimmen. Die Sozis könnten sich im Falle einer Tolerierung also getrost der Stimme für CDU-Neulinge enthalten, die Stimmen der CDU-Fraktion bildeten dann bereits die nötige Mehrheit. Amtierende Senatoren brauchen vom Parlament wiederum nicht bestätigt werden. Der Regierende Bürgermeister und seine sieben ausschließlich männlichen Kollegen können im Amt bleiben.

Konkrete Absprachen würde es im Vorfeld der Haushaltsberatungen geben, ebenso wie bei der weiteren Reform der Verwaltung oder bei der Länderfusion mit Brandenburg. Generell würde die Tolerierung eines CDU-Minderheitssenats die politischen Debatten vom Roten Rathaus ins Abgeordnetenhaus verlagern. Für sämtliche Vorhaben, die nicht in einem Tolerierungsabkommen oder entsprechenden Absprachen geregelt sind, müßte sich Eberhard Diepgen eine Mehrheit im Parlament suchen: bei der SPD, den Bündnisgrünen oder auch der PDS. In der Finanzpolitik gibt es zwischen CDU und Grünen einige Gemeinsamkeiten. Und wenn die Konservativen die Vereinigung mit Brandenburg verzögern oder ganz blockieren wollten, könnten sie sich auf breite Unterstützung der PDS verlassen.

Während die CDU im Falle einer Minderheitenregierung bei sämtlichen Vorhaben, die auf dem Papier stehen bleiben würden, der SPD als Entscheidungsverhinderer den Schwarzen Peter zuschieben würde, könnte die SPD in Abstimmung mit den Grünen durch eigene Oppositionsentwürfe den Senat unter Druck setzen. Das Drohungspotential ist für CDU und SPD dasselbe: das labile Tolerierungsbündnis platzen zu lassen und Neuwahlen anzustreben.

Streit dürfte es dabei allerdings um den Zeitpunkt eines vorzeitigen Urnengangs geben. Die SPD wird auf Neuwahlen drängen, wenn die Oppositionspolitik beim Wahlvolk gute Noten bekommt, während die CDU bei einem weiteren Erdrutsch der SPD die Gunst der Stunde nutzen möchte. Ein Koalitionspartner würde ihr freilich auch dann fehlen. Neuwahlen sind nötig, wenn sich das Parlament mit der Zweidrittelmehrheit seiner Abgeordneten selbst auflöst. Per Volksentscheid können ebenfalls Neuwahlen beantragt werden. Nach der neuen Landesverfassung muß mit 800.000 Berlinern ein Drittel der Wahlberechtigten dem Volksentscheid zustimmen, falls aber mehr als die Hälfte aller Wahlberechtigungen an der Abstimmung teilnehmen, entscheidet die einfache Mehrheit der abgegeben Stimmen.

Eine weitaus größere Rolle bei der Frage von Neuwahlen spielt allerdings das Geld. Nicht nur Wahlen sind teuer, deren Kosten der Steuerzahler trägt, auch der Wahlkampf der Parteien muß bezahlt werden. Obwohl sie einen Teil vom Staat finanziert bekommen, würde ein weiterer Wahlkampf der SPD und der CDU jeweils mehrere Millionen Mark kosten. Das ist eine Größenordnung, die sich beide Parteien derzeit nicht leisten können. Uwe Rada

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