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■ Welt Weit GrönlingNur immer feste druff!

Inzwischen sollte jeder Redakteur eines öffentlich-rechtlichen oder privaten Fernsehsenders wissen, was eine Homepage ist, eine E-Mail oder ein Chat – und gelernt haben, ein kleines bißchen zu differenzieren. Doch offensichtlich sind einige davon noch meilenweit entfernt. Als letzte Woche die schreckliche Meldung über ein Paar über die Bildschirme flatterte, das im oberbayerischen Rosenheim Kinder für „grenzenlose Sexspiele“ in seinem schalldichten Folterkeller feilbot und auch bereit war, notfalls die Leichen gegen Aufpreis zu „entsorgen“, hieß es, daß dies „im internationalen Datennetz Internet“ annonciert worden sei.

Zu sehen war jedoch ein Computerbildschirm, auf dem offensichtlich ein Btx-Chat stattfand oder protokolliert wurde. Chats, Live-Unterhaltungen über Tastatur und Monitor, werden auch beim (veralteten) T-Online- Dienst Btx u.a. vom Dialogdienst „Atlantis“ gegen Gebühr angeboten. Mit dem Internet hat das überhaupt nichts zu tun. Das bedeutet natürlich nicht, daß so etwas nicht auch über das Internet möglich wäre oder vielleicht sogar stattfindet. Aber hier war es T-Online, und seriöse Journalisten haben das auch so benannt. Natürlich kann man die Telekom nicht für das verantwortlich machen, was über ihre Datenleitungen läuft. Ein Briefträger ist auch nicht für den Inhalt der Post verantwortlich, die er transportiert. Und T-Online ist ein vergleichsweise sicherer Datendienst – so sicher, daß sogar Bankkunden ihre Geschäfte darüber abwickeln, weil angeblich jeder Teilnehmer, Sender und Empfänger, sofort identifiziert werden kann.

Oder waren die Fernsehbilder nur ein Fake, von Fernsehmachern eilig zusammengeschusterte Bilder, nur um mal wieder zu zeigen, wie schrecklich doch dieses Internet in Wirklichkeit ist? Kleine Nuancen in der Gewichtung der Meldung sprechen dafür. Für einige Sender stand nicht die Meldung selbst im Mittelpunkt, sondern der Umstand, daß es „im Internet“ oder bei T-Online passiert ist.

Der Augsburger Journalist Detlef Drewes engagiert sich seit Jahren für dieses Thema. Die Drahtzieher,fand er heraus, rekrutieren ihr Material dort, wo die Not am größten ist: in Aussiedler- und Flüchtlingsheimen, der Dritten Welt und Osteuropa. Doch bei Polizei, Telekom und den Veranstaltern von Online- Sexdiensten stieß er oft auf taube Ohren. Und nun ist offenbar das Recht auf körperliche und seelische Unversehrtheit der Kinder auch einigen Fernsehmachern nicht mehr so wichtig. Hauptsache, das Internet kriegt eins drauf. Dieter Grönling

groenling@compuserve.com

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