■ Welt Weit Grönling: Der Name ist Programm
Daß Rundfunk und Internet ganz unterschiedliche Dinge sind, haben die Radiomacher inzwischen kapiert. Sie haben aufgehört, das Netz als verlängertes Dudelfunkmedium zu begreifen, und gestalten ihre Websites so, daß diese genau das Material bereitstellen, das sich nicht übers Radio übermitteln läßt. SWF3, MDR Sputnik und, als leuchtendes Beispiel, ORB Fritz – sie alle werden immer besser, zumindest im Netz.
Beim Fernsehen dauert das ein bißchen länger, aber auch da habe ich leise Hoffnung. Zur Not wird halt jemand eingekauft, der das auf die Reihe kriegt. Das ZDF zum Beispiel kooperiert mit Microsoft. Und umgekehrt ist es auch nicht anders. Die Computer- und Internetsendungen waren zwar bei ORB Fritz schon immer sehr informativ, aber so langsam ziehen auch die anderen nach, auch das Fernsehen (bis auf den WDR, aber das hatten wir hier schon mal).
Schlimm wird es aber, wenn Internet-Provider anfangen, dem Medium Fernsehen Konkurrenz machen zu wollen. So wie der Berliner Provider Snafu (www.snafu.de), der unbedingt die gestrige Rede des amerikanischen Präsidenten aus dem Schauspielhaus live ins Internet übertragen mußte. Eine PR-Aktion? Wenn es eine war, ging sie nach hinten los. Wer sie noch alle an der Glocke hat, guckt sich das – wenn überhaupt – im Fernsehen an und nicht im Internet. Da braucht man doch nur auf der Fernbedienung die „1“ zu drücken und hat das 70 Zentimeter groß in Farbe und in Stereo – und muß nicht erst eine Internet-Verbindung zu Snafu aufbauen. So einfach ist das, liebe Internet- Freunde! Und so historisch weltbewegend war Clintons Rede nun auch nicht, daß ich sie unbedingt auf der Platte speichern müßte. Schließlich ist Bill Clinton nur einer von Helmut Kohls Wahlkampfhelfern.
Warum der Provider Snafu, immerhin nach T-Online und AOL der drittgrößte im Berliner Raum, das überhaupt macht, ist unklar. Das haben sie doch nicht nötig, immerhin bieten sie Internetzugang zu akzeptablen Preisen und scheinen auch sonst ganz vernünftig zu sein. Aber: „Exklusive Events wie dieser gehören zum Service, den wir den Besuchern der Snafu-Website kostenfrei anbieten“, meint Geschäftsführer Robert Rothe. „Als einer der führenden deutschen Internet-Provider treiben wir mit der Präsentation solch spektakulärer Ereignisse auch die Akzeptanz des Mediums Internet voran.“
Ach Quark. Und überhaupt, was heißt das schon: Snafu? Im Hackerjargon ist das die Abkürzung für „System normal: all fucked up!“ Dieter Grönling
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