Welches Schicksal droht den Griechen?: Euro, Geuro und Grexit-Szenario
Viele Lösungsansätze werden durchdekliniert. Welcher ist sinnvoll und machbar? Was passiert beim Rausschmiss aus der Euro-Zone? Geht das überhaupt? Fragen und Antworten.
Verzichtet Athen freiwillig auf den Euro?
Nein. Nur eine Minderheit der griechischen Parteien möchte raus aus der Währungsunion. Eine Mehrheit will den Euro behalten, die Rückkehr zur Drachme ist alles andere als populär. Selbst der Chef der radikalen Linken, Alexis Tsipras, hält am Euro fest. Allerdings stellt er dafür Bedingungen, die viele Europäer inakzeptabel finden. Sollte Tsipras die Wahlen am 17. Juni gewinnen, könnte es daher zum „Grexit“, zum Austritt, kommen.
Wann muss Athen die Eurozone verlassen?
Dafür gibt es keine Regeln. Die EU-Verträge sehen weder einen Austritt noch einen Ausschluss aus der Eurozone vor. Allerdings hat die Eurogruppe, also die Runde der 17 Eurofinanzminister, klargemacht, dass Griechenland nur dann in der Währungsunion bleiben kann, wenn seine Regierung die Spar- und Reformauflagen erfüllt. Bundeskanzlerin Merkel und Finanzminister Schäuble haben die Wahl am 17. Juni sogar zu einer Art Referendum über den Euro erklärt. Im Klartext: Wenn die Griechen jemanden wählen, der die Auflagen des sogenannten Troika-Memorandums ablehnt, muss Athen die Eurozone verlassen. Diese harte Haltung wird jedoch nicht von allen Euroländern geteilt. So hat der französische Staatschef François Hollande angedeutet, man könne die Auflagen auch lockern oder Griechenland mit einem Wachstumsprogramm entgegenkommen.
Was passiert, wenn Athen trotzdem den Euro behält?
Dann muss die neue Regierung bereits im Juni neue milliardenschwere Budgetkürzungen verabschieden. Löhne und Gehälter würden gesenkt, Staatsbetriebe privatisiert, der Kündigungsschutz gelockert. Ob diese neoliberale Schocktherapie die Wirtschaft wieder in Schwung bringt, ist allerdings umstritten. Die Rezession könnte noch schlimmer werden und Griechenland schon bald neue Hilfe brauchen.
ESM – der Europäische Stabilitätsmechanismus löst den Eurorettungsschirm EFSF ab. Die internationale Finanzinstitution mit Sitz in Luxemburg soll ein Volumen von 700 Milliarden Euro haben und ab Mitte dieses Jahres die Zahlungsfähigkeit der Banken in der Euro-Zone sichern helfen.
EFSF – Europäische Finanzstabilisierungsfazilität, vulgo Eurorettungsschirm. Die Finanzgesellschaft wurde im Juni 2010 gegründet, um Kredite an in Not geratende Euroländer zu vergeben. Ihre Gesellschafter sind alle Mitgliedsländer der Eurozone.
2. Hilfspaket – 130 Milliarden Euro umfasst das zweite Griechenlandpaket, das EU, Internationaler Währungsfonds (IWF) und Europäische Zentralbank (EZB) im Februar beschlossen. Im ersten Hilfspaket vom Mai 2010 wurden 110 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt.
Geuro – als denkbare Parallelwährung für die Griechen hat die Deutsche Bank den „Geuro“ (Griechenland + Euro) entwickelt. Er würde aus Schuldscheinen der Athener Regierung bestehen.
Troika-Memorandum – als Gegenleistung für Notkredite in Höhe von 110 Milliarden Euro verlangten IWF, EZB und EU im April 2010 von Griechenland Strukturreformen und einen harten Sparkurs.
Sperrkonto – ein Sonderkonto, von dem die deponierten Gelder nur unter bestimmten Bedingungen abgehoben werden können.
Eurobonds – Anleihen, die von allen 17 Euroländern gemeinsam garantiert werden. Sollten die Eurobonds Realität werden, könnten wirtschaftlich schwächere Staaten der Region deutlich billiger Kredite aufnehmen, als es ihnen bisher nach ihrem nationalen Schuldenstand möglich ist.
Bank Run – der Alptraum jedes Finanzinstituts: Aus Furcht, dass ihre Bank pleitegehen könnte, stürmen Kunden die Filialen und versuchen, ihre Konten abzuräumen. So steigt die Wahrscheinlichkeit, dass die Bank tatsächlich zahlungsunfähig wird.
EIB – die Europäische Investitionsbank gehört den 27 EU-Mitgliedsstaaten und finanziert große Infrastrukturprojekte.
Schuldenschnitt – Versuch, Griechenland vor der Pleite zu bewahren: Im März verzichteten die privaten Gläubiger des Landes mehr oder weniger freiwillig auf 100 Milliarden Euro.
Wie könnte Griechenland eine neue Währung einführen?
Am wahrscheinlichsten wäre eine Nacht-und-Nebel-Aktion, die am Freitag nach Börsenschluss beginnt und bis zum nächsten Montag vollendete Tatsachen geschaffen hat. Technisch wäre die Rückkehr zur Drachme recht einfach: Man könnte die Euro-Banknoten mit einem Drachme-Stempel versehen und diese dann zum neuen offiziellen Zahlungsmittel erklären. Später könnten neue Banknoten und Münzen folgen. Um einen Bank Run zu verhindern, also dass die Griechen ihre Kontos plündern und mit den alten Euroscheinen das Land verlassen, müssten Geldautomaten gesperrt werden. Im schlimmsten Fall könnten Polizei oder sogar das Militär eingesetzt werden.
Kann das Land trotzdem den Euro behalten?
Im Prinzip ja. So könnte Griechenland innerhalb des Euro pleitegehen und die Zahlungen an seine Gläubiger – also vor allem an europäische Banken und Staaten – einstellen. Da der größte Teil des Schuldendienstes über ein Sperrkonto läuft, auf das die griechische Regierung keinen Zugriff hat, ist dies jedoch keine realistische Lösung – im Gegenteil: Eher schon könnten die Europartner den Spieß umdrehen und die Hilfszahlungen an Griechenland einstellen, während die Gläubiger weiter bedient werden. Dann säße die neue Regierung in Athen auf dem Trockenen und wäre gezwungen, möglichst schnell ein ausgeglichenes Budget vorzulegen. Diese Option wird in Brüssel für den Fall diskutiert, dass bei der Wahl am 17. Juni keine sparwillige Regierung zustande kommt. Es wäre sozusagen die Vorstufe zu einem Rausschmiss, wobei Griechenland aber zunächst noch den Euro behielte. Eine andere Variante hat die Deutsche Bank vorgeschlagen. Neben dem Euro könnte eine neue Parallelwährung, der sogenannte Geuro, entstehen – und zwar aus Schuldscheinen, mit denen die griechische Regierung ihre Rechnungen bezahlt und die dann weiterverkauft werden. Da der Geuro weniger wert wäre, könnten Exporte billiger werden und die Wirtschaft wieder in Schwung kommen. Im Idealfall könnte er dann irgendwann wieder durch den Euro ersetzt werden.
Welche Folgen hätte die Rückkehr der Drachme?
Sie könnte Griechenland mittelfristig wieder wettbewerbsfähig machen. Vor allem der Tourismus könnte von einer Senkung der Preise profitieren. Zunächst würde die Drachme aber die Importe verteuern, die ja weiter in Euro oder Dollar bezahlt werden müssten. Außerdem würde eine massive Kapitalflucht einsetzen, die zum Zusammenbruch der Banken und zur Lähmung der Wirtschaft führen könnte. Experten rechnen daher mit einem Einbruch um bis zu 50 Prozent der Wirtschaftsleistung.
Kann eine Währungsreform den Griechen helfen?
Ja, aber nur unter bestimmten Bedingungen. Athen müsste einen weitgehenden Schuldenerlass und Hilfen für seine Banken erhalten. Außerdem müsste die Regierung die drohende Kapitalflucht verhindern. Und die Lage müsste sich so beruhigen, dass wieder Investoren und Touristen in das Land kommen. Wenn dann noch die EU mit Subventionen hilft, kann Griechenland in einigen Jahren wieder auf die Beine kommen.
Wie wichtig ist Griechenland für die Eurozone?
An der Wirtschaftskraft gemessen, ist es ziemlich unwichtig, denn die ist kaum höher als die Bayerns. Allerdings ist Griechenland unfreiwillig zum Testfall für die Solidarität und Stabilität der Eurozone geworden. Einige Analysten glauben sogar, dass die gesamte Eurokette zerbricht, wenn ihr schwächstes Glied abfällt. Insofern ist Griechenland von enormer strategischer Bedeutung.
Zerbricht Euroland, wenn Griechenland austritt?
Darüber streiten die Gelehrten. Zwar sind sich die meisten Experten mittlerweile einig, dass ein „Grexit“ nicht mehr so schlimm wäre wie der Zusammenbruch der US-Bank Lehman Brothers im Jahre 2008. Denn die Märkte sind mittlerweile auf einen Austritt vorbereitet. Allerdings teilen nur wenige die Meinung von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU), dass Europa einen „Grexit“ durchaus verkraften könnte. Denn zum einen müsste dann ein Großteil der Hilfskredite abgeschrieben werden; allein für Deutschland könnte sich die Rechnung auf 80 Milliarden Euro belaufen. Die Hauptgefahr ist aber, dass sich Spekulanten sofort auf andere Krisenländer stürzen und versuchen, auch sie aus dem Euro herauszubrechen.
Könnten Spanien, Portugal und Italien auch pleitegehen?
Portugal gilt zwar als unmittelbar gefährdet, wenn Griechenland den Euro verlässt, ließe sich aber noch aus den vorhandenen Euro-Rettungsfonds auffangen. Dies wäre bei Schwergewichten wie Italien und Spanien nicht möglich; bestenfalls reicht das Geld noch für eines der beiden. Sie sind aber beide nicht unmittelbar von der Pleite bedroht und mussten bisher nicht einmal Hilfe ihrer Partner beanspruchen. In Spanien könnte sich dies schnell ändern, wenn sich dort die Bankenkrise zuspitzt. Dies wäre das „Worst Case“-Szenario: ein „Grexit“ und ein Bankencrash in Spanien. In diesem Fall würden wohl die Sicherungen der Eurozone durchbrennen.
Verliert der Euro dann an Wert?
Ja, der Euro hat ja schon jetzt nachgegeben. Allerdings ist der Euro im Vergleich zum Dollar immer noch überbewertet. Ein Urlaub auf Kreta könnte deutlich billiger werden – wenn die Drachme wiederkommt.
Also zurück zur D-Mark?
Nein, das fordert nicht einmal Thilo Sarrazin. Denkbar wäre, dass nur noch ein harter Eurokern übrig bliebe, mit Deutschland als Zentrum. Die Währung würde vermutlich kräftig aufwerten – was sich zum Problem für die Exportwirtschaft entwickeln könnte. Ein Zusammenbruch der Eurozone ist nicht in deutschem Interesse, eine Rückkehr zur D-Mark schon gar nicht.
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